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Diktatur am eigenen Leibe erlebt: Rainer Eppelmann blickte zurück

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Bad Sobernheim - „Leben in einer Diktatur oder in einer Demokratie Macht das einen Unterschied?" So hieß die Vortags- und Fragestunde am Mittwochmorgen in der Mensa des Sobernheimer Emanuel-Felke-Gymnasiums. Der Konrad-Adenauer-Stiftung (Bildungswerk Mainz) um Marita Ellenbürger (Bad Sobernheim) war es gelungen, den einstigen DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann zu gewinnen. Er präsentierte sich als „absoluter Gegner jeder Diktatur" und als „glühender Verfechter der demokratischen Grundordnung".

Rund 200 Jugendliche der höheren Jahrgangsstufen begrüßten jenen Mann, der in den Wendejahren um 1990 an der friedlichen Revolution beteiligt war; 1990 war er kurzzeitig DDR-Minister für Abrüstung und Verteidigung. Zwischen 1990 und 2005 saß er für die CDU im Bundestag und ist seit 1992 Vorsitzender der Bundesstiftung zur „Aufarbeitung der SED-Diktatur".

„Ich will Sie nicht alle davon überzeugen, gleich Kanzler zu werden", rief er seinen jungen Zuhörern zu, doch solle jeder „nach seinen Möglichkeiten zum Wesen der Demokratie beitragen". Anschaulich erläuterte Eppelmann, wie in der DDR Schüler für die politischen oder auch religiösen Verfehlungen ihrer Eltern mit vielerlei Benachteiligungen bestraft wurden. Die Chance auf Gerechtigkeit vor Gericht habe es nie wirklich gegeben, stand man auf der „falschen" Seite, so Eppelmann.

Politiker konnten schalten und walten, wie sie wollten, ohne jemals zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der ehemalige Pfarrer und gelernte Maurer räumte auch mit dem Vorurteil auf, die Ostdeutschen hätten sich zuallererst um den deutlich geringeren Wohlstand im Vergleich zu Westdeutschland gesorgt.

Kurioserweise stand auch im DDR-Gesetz auf Wahlbetrug eine Gefängnisstrafe. Doch wo kein Kläger war, sei auch kein Richter gewesen, und so verkümmerten Volkskammerwahlen zum „Zettelfalten ohne Stimmkabine."

Dass Eppelmann in jüngeren Jahren wegen „Verunglimpfung der Repräsentanz" acht Monate im Gefängnis saß, habe ihn nur noch „stärker, selbstbewusster und stolzer" gemacht. Gefragt, was er von der „Ostalgie-Welle" halte, reagierte Eppelmann eher verärgert. Als Bürgerrechtler und Politiker, der in den ersten 47 Jahren seines Lebens so viel himmelschreiende Ungerechtigkeit erlebt habe, könne er über solch „grenzenlose Naivität" nur den Kopf schütteln. „Wer die Wahrheit kennt, kann nicht für die SED sein", betonte Eppelmann.

„Solange es noch Zeitzeugen gibt, muss man sie einladen, uns von ihrem Leben zu erzählen", sagte Marita Ellenbürger vom Bildungswerk Mainz, dem lokalen Ableger der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Eppelmann-Reise durch den Südwesten Deutschlands führte ihn dieser Tage bereits nach Bingen, Landau, Ludwigshafen, Mainz, Herxheim und zum Abschluss ins EFG. Ein Lob gebührt dem 70 Jahre alten Referenten, der diese Reise pro Demokratie und contra Diktatur auch bei größter Hitze durchhielt. Martin Köhler


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