Bingen - Deutliche Worte von der Politik, aber auch an die Politik gab es am Donnerstag beim Windenergietag Rheinland-Pfalz.
Zum sechsten Mal wurde diese Informations- und Kontaktbörse in Kooperation von Transferstelle Bingen, Energieagentur Rheinland-Pfalz und Bundesverband Windenergie an der Fachhochschule Bingen veranstaltet.
Eveline Lemke, Staatsministerin für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung, nutzte das Forum vor rund 300 Teilnehmern, um die Klimaziele des Landes und deren aktuelle Umsetzung zu skizzieren. Sie ging auf das neue Landesentwicklungsprogramm IV ein und stellte aus Regierungssicht die darin liegenden Vorteile der "kommunalen Steuerung der Windenergie" - und deren finanzielle Effekte - dar.
Einen anderen Blickwinkel hat der Bundesverband Windenergie, dessen Landesvorsitzender Rheinland-Pfalz/Saarland, Wilhelm Heyne, eine Lanze für die mittelständische Windkraftbranche brach und harsche Kritik an der Bundesregierung mit dem Ministerduo Altmaier und Rösler übte: "Die Bundesregierung prügelt den falschen Hund." Unverblümt erhoffte sich Heyne in seinem Grußwort einen Regierungswechsel auf Bundesebene. Andernfalls sehe er 150 000 Arbeitsplätze gefährdet, da der Mittelstand gegenüber der Großindustrie benachteiligt werde.
Ministerin Eveline Lemke wiederholte vor den versammelten Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kommunalpolitik das Credo der Energiewendepolitik des Landes und wollte der Branche und den Investoren ein Stück Sicherheit geben. Man habe erreicht, dass die Debatte über die Reform der Erneuerbare-Energien-Gesetze und damit die Einspeisevergütung sowie die Altmaier-Rösler-Ideen zur Strompreisbremse erst nach der Bundestagswahl erfolge. Das neue Landesentwicklungsprogramm (LEP IV) stärke die Entscheidungsgewalt der Kommunen und sei ein Schritt zu "Akzeptanz und gesellschaftlichem Frieden". Lemke plädierte für kommunale Solidarpakte zwischen Standorten mit Windanlagen und solchen mit Ausgleichsflächen und warb für Bürgerbeteiligungs- und Genossenschaftsmodelle sowie Anstalten des öffentlichen Rechts (AöR). "Entscheiden werden am Ende die Bürger in den Kommunen", wiederholte sie. Kommunale Teilhabe bedeute letztlich Einnahmen. Skeptikern hielt sie entgegen, dass beim Anlagenbau 94 Prozent der Landesfläche unangetastet blieben. Aktuell werde in Rheinland-Pfalz bereits 13,7 Prozent des Energiebedarfs durch Windkraft gedeckt - womit das Land bundesweit Nummer vier, unter den Binnenländern die Nummer eins sei.
Staatssekretär Dr. Thomas Griese vom Landesumweltministerium widmete sich am Nachmittag einem Thema, das unzählige Kritiker aus der betroffenen Bürgerschaft, Natur- und Umweltverbände auf die Palme bringt: "Naturverträglicher Ausbau der Windenergie" hieß sein Referat. Er berief sich auf Gutachten der staatlichen Vogelschutzwarte und akribische Prüfverfahren zum Schutz von Natur und Umwelt. Die Rechtsgrundlagen seien akribisch zu beachten - das gelte aber auch für Gegner der Windparks. Ein Ausbau auf zwei Prozent der Waldfläche sei unabdingbar, um die Klimaziele zu erreichen. Schließlich bestehe Rheinland-Pfalz zu 42 Prozent aus Wald - und in diesem sei die Zahl schützenswerter Arten deutlich geringer als in Feld und Flur.
2012 sei die Zahl der Windenergieanlagen im Wald gegenüber dem Vorjahr von 112 auf 187 gestiegen - ein Plus von 75 Prozent. "Der Naturschutz darf sich nicht vergaloppieren", mahnte Thomas Griese. Wo Eingriffe notwendig würden, gebe es Auflagen und Ausgleichszahlungen - demnächst auch für die Beeinträchtigung des Landschaftsbilds durch die Riesenanlagen. Die Ersatzzahlungen sollen sich laut "Bundeskompensationsverordnung" nach Metern Masthöhe berechnen und - je nach "Wertstufe" - zwischen 100 und 800 Euro liegen. Das Geld fließt in den Naturschutz.
Rainer Gräff