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Channel: Nachrichten aus dem Oeffentlichen Anzeiger Bad Kreuznach
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Hildegard Bachmann ließ kein Fettnäpfchen aus

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Was sie erzähle, sei wahr, meinte Hildegard Bachmann, sei meist selbst erlebt, also authentisch: „Das Leben schreibt die schönsten Geschichten." All das, was „net alle Daach bassiert", was Nachbar Werner Dietz ihr zuflüstert, hat sie notiert und jede Menge Anekdoten und Kalamitäten aus Kindheitstagen in petto – da steckt viel Herzblut drin. Sie erzählt von der Milchkann', die sie so lange um 360 Grad schlenkerte, bis es schief ging. Oder denkt an Riwwelekuche, deren Backbleche sie als Kind beim Bäcker abholen musste und „uffm Hamwäsch so lang genascht hat, bis er uwedruff nackisch war, und dann hat's Feng geb".

Nichts ging über Oma Annas Pfefferminztee, bis sie sah, dass der Nachbar auf die Pflanzen pinkelte. Seitdem mag sie keinen mehr, und wenn Tee, dann im Beutel. „Awwer der schmeckt nie so gut wie bei Oma Anna", schiebt sie in stoischer Ruhe selbstironisch hinterher. Die Bachmann spart kein Fettnäpfchen aus, auch nicht die eigene Problemzone. Ihr Mann stammt aus Lohnweiler bei Lauterecken, sie aus Wiesbaden, „driwwe von de eebsch Seit'". Genüsslich erzählt sie, wie ihr Mann einmal einen Hummer nach Hause brachte. Auch mit Hammer und Schraubenzieher ließ der sich partout nicht öffnen. Alle hungerten oder verletzten sich an der scharfen Schale: „Lass' die Mülltonn' uff, dass die Leit' siehn, Bachmanns konnte sich aach en Hummer leiste." Dann wurde „e Dos' Lewwerworscht uffgemacht".

Die Mundartautorin verstand es vortrefflich, knisternde Spannung aufzubauen. Etwa als der Gaasbock einen großen Bogen um die Gaas machte, bis sich herausstellte, dass es ein Zwitter war.

„Quetschekuchemörder" hieß die Story von Hansi, der am Flughafen unter Mordverdacht geriet, weil er ein großes Messer dabei hatte. Höhepunkt war die Geschichte von der „Plastiktutt": Nachbar Herbert und seine Clique fuhren zum Eintracht-Spiel und zum Äppelwoi-Dringe nach Sachsenhausen. Dringend musste er seine Notdurft verrichten, seine Kumpels vertrösteten ihn auf die nahende S-Bahn. Aber: Die S-Bahn hat keine Toilette! Und da kam dann als letzte Rettung die Plastiktüte ins Spiel. Die aber hatte Löcher, lief langsam aus. Herbert türmte an der nächsten Haltestelle. Die Kumpels sorgten sich: Aber zu Hause in Mainz angekommen – damals, als Züge noch fuhren –, stand er als erster auf dem Bahnhof. Er war einfach in den nächsten Wagen eingestiegen, weil er nicht mehr im Tutte-Abteil sitzen wollte...

Gerade die leisen Töne über die Zufriedenheit im Alltagstrott vom „Unkel Paul un de Tonte Hilde" gingen zu Gemüt: Alt und betagt, aber in jeder Hinsicht Vorbild, was die Zuhörer mit Applaus quittierten. Lautes Gejohle und Beifall gab es, alles hielt sich den Bauch vor Lachen: Hildegard Bachmann, wie sie leibt und lebt. „Hat do jemand Zugabe geruf?" – auch die gab's gratis. Bernd Hey


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