Der Fall ist kurios – und er hat Seltenheitswert. Das betonten auch der leitende Richter Wolfram Obenauer und Staatsanwältin Susanne Paeseler. Für das Strafmaß waren am Ende weniger die materiellen Schäden, die Obenauer auf 15 000 Euro schätzte, ausschlaggebend. Vielmehr ging es um das pietätlose Vorgehen des Bestatters, genauer gesagt um die Störung der Totenruhe und den Vertrauensmissbrauch gegenüber den Angehörigen.
Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, in 17 Fällen in der Region Urnen mit der Asche anderer Verstorbener sowie zwei Urnen mit Kies und Sand gefüllt begraben zu haben. Darüber hinaus soll er eine anonyme Bestattung nicht ausgeführt, sie aber in Rechnung gestellt haben. In einigen Fällen habe er zudem die Aufkleber mit den Personendaten von den Aschekapseln entfernt. Der Bestatter, der auch eine Filiale in der VG Alsenz-Obermoschel führte, hatte sich bereits im Mai 2012 öffentlich und in einer Zeitungsanzeige bei den Angehörigen und Kunden für den Urnentausch entschuldigt und umgehend sein Unternehmen aufgelöst.
Entsprechend legte er zu Beginn der Verhandlung ein umfängliches Geständnis ab, indem er von einer fortlaufenden Kette sprach, die er nicht stoppte, „weil ich mich nicht traute, die Wahrheit zu sagen und es mir einfach peinlich war". Über knapp vier Jahre flog das falsche Spiel nicht auf. Angefangen hatte es im Juli 2008, als ein Mitarbeiter von ihm für eine Beisetzung die Aschenkapsel im Krematorium in Landau abholen sollte, das Krematorium diese aber schon auf den Postweg gegeben hatte. Dadurch kam der Mitarbeiter nicht mehr rechtzeitig mit der Urne zur Beisetzung, der Bestatter führte sie aber dennoch durch – mit einer Attrappenurne.
In den weiteren Fällen sei es immer wieder zu fehlenden Urnen gekommen, weil er Beisetzungen vergaß oder Termine zu kurzfristig ausmachte, berichtete er in seinem Geständnis. Summa summarum sei er mit der Vielzahl an Beerdigungen (mehr als 150 pro Jahr) schlichtweg überfordert gewesen. Am Ende der Tauschkette hatte der Bestatter vier Urnen übrig, drei davon lagerte er zu Hause, eine im Krematorium.
In seinem Schlusswort entschuldigte er sich noch mal bei den Angehörigen, von denen viele zur Verhandlung gekommen waren. „Ich kann nur sagen, dass es mir unendlich leidtut. Ich habe mich völlig pietätlos verhalten und das Vertrauen der Angehörigen missbraucht." Gleiches gelte für das Vertrauen, das ihm die Verwaltung der VG Bad Münster-Ebernburg entgegengebracht habe, sagte Richter Obenauer. „Wobei es die Verwaltung ihm auch nicht gerade schwer gemacht hat", ergänzte der Richter. „Normalerweile hätte man das früher merken müssen."
Darauf spekulierte wohl auch der Bestatter. „Das Ganze hat ihn überrannt", erklärte Verteidiger Thomas Scheffler, „er hat aber das einzig Richtige getan: Die Flucht nach vorn." Neben der Bewährungsstrafe erhielt der Bestatter die Auflage, 1000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zu spenden. Auf seinen Wunsch soll das Geld an die Stiftung Lützelsoon fließen.
Nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Bestatter gab es 2012 in Deutschland 860 000 Bestattungen, davon 460 000 Feuerbestattungen. «Vielleicht zwei bis dreimal im Jahr erfahren wir davon, dass Urnen vertauscht wurden», sagte Verbandssprecher Rolf Lichtner. «Damit wissen wir aber nicht, ob es nicht noch mehr Fälle gab.» Irrtümer soll eine Spezialetikette auf der Ascheurne verhindern.
Stephan Brust