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Gericht schenkt späten Alibis keinen Glauben

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Bad Kreuznach - Wegen schweren Raubs hat das Jugendschöffengericht am Amtsgericht Bad Kreuznach zwei junge Männer im Alter von 15 und 20 Jahren zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und vier Monaten beziehungsweise zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Nach Auffassung des Gerichts hatten die beiden, die schon vorbestraft waren, mit einem bislang unbekannten dritten Mann am Abend des 7. März 2013 gegen 20.15 Uhr den Norma-Supermarkt in der Salinenstraße überfallen, die Mitarbeiterin dabei mit einer Waffe bedroht, gefesselt und knapp 10 000 Euro erbeutet. Alle drei Täter waren bei dem Überfall maskiert.

Der dritte Angeklagte, der damals in dem Markt als Aushilfe arbeitete, den Tätern die Hintertür zum Lager öffnete und die Verkäuferin nach hinten lockte, kam mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten davon und muss 1000 Euro an den Weißen Ring zahlen. Der 19-jährige hatte die Mittäterschaft gestanden und als einziger im Hauptverfahren ausgesagt. Seine Rolle sollte ursprünglich der vierte Angeklagte übernehmen, der in dem Markt eine Ausbildung gemacht hatte. Dem 18-Jährigen war zu diesem Zeitpunkt wegen Diebstahls aber bereits gekündigt worden. Er war wegen Beihilfe zum Raub angeklagt, weil er im Vorfeld den Tätern Tipps und Insiderwissen weitergeben sowie den Kontakt zwischen dem 19-Jährigen und den beiden anderen Täter hergestellt hatte. Die Entscheidung über die Verhängung einer Jugendstrafe gegen ihn wurde zur Bewährung ausgesetzt. Er muss 500 Euro an den Weißen Ring zahlen.

Für Staatsanwältin Susanne Paeseler stand nach der Beweisaufnahme fest, dass sich der Raubüberfall so abgespielt hat wie in der Anklage dargelegt. Sie sprach von einer "brutalen Tat" und "erheblicher krimineller Energie". Auch Richterin Sabrina Sixt hatte daran keine Zweifel. Beide sahen keinen Grund, an der Aussage des 19-Jährigen zu zweifeln, der die beiden Mittäter bei seiner Vernehmung anhand von Lichtbildvorlagen identifizierte und sie auch bei der Tat an Stimme, Kleidung und Figur erkannt haben will. Der 18-Jährige schwieg zwar vor Gericht, doch auch seine Aussagen vor den Polizei belasten nach Ansicht des Gerichts die beiden Angeklagten als Täter.

Gericht wie auch die Staatsanwältin gehen davon aus, dass die Alibis, die beide während der Hauptverhandlung von mehreren Verwandten bekommen haben, abgesprochen waren. Richterin Sixt listete gleich eine ganze Reihe von Indizien auf, die aus ihrer Sicht auf eine Absprache hindeuten. Als die Staatsanwältin dies in ihrem Plädoyer ansprach, verließ die Mutter des 15-Jährigen aufgebracht den Gerichtssaal. Die Stimmung blieb auch bei der Urteilsbegründung gereizt: Der 20-jährige Angeklagte unterbrach die Richterin ("Sie verdrehen alles"), sein zorniger Bruder im Zuschauerraum musste sogar des Saals verwiesen werden. Rechtsanwältin Katharina Zobel und Rechtsanwalt Zickmann hatten für ihre Mandaten, den 15- und 20-Jährigen, jeweils Freispruch gefordert. Beide sahen deren Täterschaft als nicht ausreichend erwiesen an. So gebe es zum Überfall nur die Aussagen des 19-Jährigen Mitangeklagten. Dessen Angaben wertete Zickmann als "unglaubhaft" und "spekulativ". Das Motiv dafür lag für ihn auf der Hand: Er wolle für sich selbst das Günstigste herausholen. Zobel wertete das Alibi der Mutter des 15-Jährigen als glaubhaft. Es sei nicht konstruiert worden.

Gerhard Prengel, der den 19-Jährigen verteidigte, erklärte, sein Mandat "wurde von den anderen regelrecht bequatscht, bis er sich darauf einließ". "Vielleicht war auch falsche Abenteuerlust mit im Spiel." Er habe aber Reue gezeigt. Anwalt Axel Balzer plädierte auf eine "milde Strafe" für seinen Mandanten: Die Schuld des 18-Jährigen sei nicht besonders hoch. Er habe Insiderwissen weiter gegeben, allenfalls als Mittler fungiert, "war aber in die konkrete Tatausführung nicht mehr eingebunden."

Richterin Sabrina Sixt selbst riet den beiden zu einer Jugendstrafe verurteilten Angeklagten, in Berufung zu gehen.

Harald Gebhardt


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