Schmankerl am Rande: Dem Soldaten von einst saß mit Moderator Gerhard Engbarth ein Wehrdienstverweigerer von einst gegenüber. 1947 in Neunkirchen an der Saar geboren, wurde Jürgen Reinhard schon häufig das Etikett des „Rucksackfranzosen" angeheftet, obwohl sein Vater als Bergmann aus Heidelberg und die Mutter aus Mannheim stammte.
In der Grundschule Klassenprimus mit eigener Bande, und auch im Gymnasium „nie hängen geblieben", lernte er schon mit sechs Jahren das Geigespiel und gab als Elfjähriger sein erstes Schulkonzert. Sein Lehrer nahm ihm das Lampenfieber fürs Leben: „Du musst dir denken, du spielst vor lauter Krautköppen." Musik und Sport, Handball und Basketball als „langer Spargel" in der Saarland- und Bayernliga wurden voll ausgekostet: „Mir konnte nie etwas passieren."
Wohlbehütet im Elternhaus und von zwei älteren Brüdern baute er im März 1966 sein Abitur und begann als „Z2" und Heerespionier in Hannoversch-Münden. Als er noch im Hotel Mama im Saarland lebte, war er als Bandleader und Musiker mit seinen Bands The Rasers und Snobs direkter Konkurrent der Kirner Band um Frank Farian, der damals noch als Koch in Elversberg arbeitete.
Reinhard wurde Berufssoldat, kam zur Luftwaffe „und 1968 zum ersten Mal nach Pferdsfeld ins Paradies", wo Horst Glatz in Baracken seinerzeit Spieß war und er, der junge Hauptfeldwebel, die Welt aus den Angeln heben wollte. „Eine superschöne Zeit in der Instandsetzungsstaffel. Hier habe ich erstmals wahre Kameradschaft erlebt."
Von 110 Männern an der Fachhochschule der Luftwaffe für Luft- und Raumfahrttechnik war er einer von 25, die das Studium schafften. 1973 kam er zum zweiten Mal nach Sobernheim. Als technischer Offizier der Wartungsstaffel wurden alle Flugzeuge von seinem Team gewartet. 1975 kam die Phantom, er wurde Staffelchef – und dann nach Köln versetzt.
Seit dem 13. August 1976 lebt die Familie im selbst geplanten Haus in Monzingen. Dreimal kam er nach Pferdsfeld und dreimal wurde er versetzt – Bundeswehralltag eben. Die Familie blieb an der Nahe, er pendelte mit seinem Porsche 15 Jahre über die A 61 nach Köln und lernte die Welt kennen. „Ja, das war eine sehr kritische Zeit, da hätte es leicht zur Scheidung kommen können", antwortet er auf die Frage, wie es war, nur Wochenendpapa zu sein.
1993 kam er zum dritten Mal, diesmal als Kommandeur der Technischen Gruppe, nach Pferdsfeld. Seit 1995 und nach dem Fly-Out im Juni 1997 war es Jürgen Reinhard, der den Geschwaderumzug von Pferdsfeld nach Laage bei Rostock an die Ostsee „als oberster Logistiker und ohne Verluste" koordinierte: Es waren immerhin vier komplette Güterzüge wertvollen Materials und 2500 Fahrzeuge.
Die nächste Verwendung führte steil nach oben, nach Diepholz als stellvertretender Regimentskommandeur. Mit seiner Frau bezog er dort 1997 eine Doppelhaushälfte. Nicht lange: 2000 stieg er zum Regimentskommandeur des mit 2300 Soldaten größten Regiments der Luftwaffe im badischen Mosbach bei Heidelberg auf und schied 56-jährig im Dezember 2003 mit großem Zapfenstreich in den Ruhestand.
Damals war er oft im TV, vermittelte auf militärischer Ebene zwischen Türkei und Griechenland und stiftete Frieden. Aber: „Nach einem Zeckenbiss in der kanadischen Goose Bay hatte ich die Gelenke nicht mehr im Griff, sie müssen nach und nach ausgetauscht werden." Auslands- und kriegsdienstuntauglich blieb ihm ein weiterer Einsatz in Usbekistan und im afghanischen Kabul erspart.
Bei seiner Abschiedsrede in Mosbach rüttelte er auf: „Soldaten müssen aktiv Flagge in der Politik zeigen." Die Bundeswehr werde verheizt: „32 Milliarden sind nur ein Drittel des Sozialhaushalts. Die Bundeswehr verliert ihr Gesicht und ihren guten Ruf in der Welt." Soldaten dürften sich nicht heraushalten. 56 Tote und mehr als 200 Verwundete ließen den Einsatz am Hindukusch sinnlos erscheinen: „Die Taliban werden immer stärker." Deshalb engagiert sich der Vater zweier erwachsener Söhne in vielen Ehrenämtern.
Reinhard gehört der FDP an, er war VG-Beigeordneter und ist Monzinger Ratsmitglied. Für sein humanitäres Engagement „Hilfe für Bundeswehrkinder in Not" erhielt er spontanen Applaus. Es gehe um die Betreuung posttraumatisch gestörter Soldaten, die nach Auslandseinsätzen im Stich gelassen würden – nachdem sie das Parlament an die Front geschickt habe. 2000 seien bekannt, die Dunkelziffer jedoch um ein Vielfaches höher.
Er prangert die fehlende Hilfe und Bürokratiehürden für Väter an, die aus dem Krieg heimkehrten und dem Leben nicht mehr gewachsen seien. Bis die posttraumatische Erkrankung bestätigt werde, dauere es mehr als drei Jahre, dann seien die Familien zerrüttet, zerstört. „Der Bund gibt uns keine Adressen. Meist sind Sanitäter betroffen", sagt Reinhard weiter: Erst spät setze das Erwachen und Verarbeiten ein. „Da kommt noch allerhand auf uns zu", meinte der Oberst a. D., der am Wochenende in dieser Sache nach Berlin reiste. Bernd Hey