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Neun Monate Haft wegen Körperverletzung

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Bad Kreuznach - Dank verworrener Zeugenaussagen kann ein Bad Kreuznacher nach seiner Verurteilung tief durchatmen.

Von unserem Reporter Dominic Schreiner

 Der 38-Jährige wurde gestern zwar zu neun Monaten Haft auf Bewährung verdonnert. Nach der Anklageschrift hatten ihn jedoch mindestens fünf Jahre im Gefängnis erwartet.

Was sich im Vorfeld der Verhandlung noch wie eine wilde Räuberpistole mit einer gewaltsamen nächtlichen Auseinandersetzung um Drogen gelesen hatte, entpuppte sich vor der 2. Strafkammer des Kreuznacher Landgerichts unter dem Vorsitz von Richter Dr. Bruno Kremer letztlich als schwerlich zu rekonstruierender Tathergang. Und "nur" als gefährliche Körperverletzung.

Der arbeitslose 38-Jährige stand als vermeintlicher Räuber vor Gericht. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Er sollte dem Hauptzeugen und Geschädigten mit Gewalt 120 Euro entwendet und ihn mit einem Schlagstock im Gesicht verletzt haben. Vorangegangen war ein vermeintlicher Streit um Haschisch, das der Zeuge angeblich nachts um 1 Uhr in der Wohnung des Angeklagten erwerben wollte - soweit die Anklage, die vor allem auf den Aussagen des Geschädigten fußte.

Diese gewaltsame Wegnahme des Geldes hätte den Täter in den Augen des Gesetzes zu einem Räuber gemacht, Mindeststrafe fünf Jahre Gefängnis. Doch nach Vernehmung des Zeugen vor Gericht blieb dem Richtergremium und Staatsanwalt Wolfgang Jung nichts anderes übrig, als von Vorwurf des Raubes abzurücken. Denn der Geschädigte, den der Angeklagte nachweislich mit einem Schlagstock im Gesicht verletzt hatte, verwickelte sich bei seiner Aussage in eklatante Widersprüche.

Von einem zweiten Mann, einem Komplizen des Angeklagten, war da die Rede. Jener hatte sich an jenem Abend im Juni vergangenen Jahres tatsächlich in Begleitung gefunden. Doch eher in amouröser, denn zum Zeitpunkt der Tat befand sich seine damalige Freundin in seiner Wohnung.

Dann tauchte in der Erinnerung des Hauptzeugen ein mysteriöser Dritter auf, der ihm nach der Tat begegnet sein soll, von dem in den Vernehmungsakten der Polizei jedoch nie die Rede war. Und an viele Details des Tattages konnte sich der Zeuge einfach nicht erinnern.

Zudem bescheinigte er sich selbst Depressionen und Gedächtnisstörungen, die den Mann in den letzten drei Jahren sieben Mal stationär in psychiatrische Einrichtungen gebracht hatten. Auch nach der Tat musste er für zwei Tage in ein Krankenhaus. Ursache hierfür war jedoch die Verletzung, die der Angeklagte ihm zugefügt hatte.

"Ich hatte Angst, als der Typ mitten in der Nacht Sturm klingelte und in meine Wohnung eindringen wollte, wollte mich verteidigen, der Held für meine Freundin sein", räumte der Angeklagte mit wortreichen Erklärungen, die streckenweise zum Amüsement des Gerichtssaals beitrugen, den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung ein. Daher forderte sein Verteidiger Axel Balzer auch Freispruch wegen einer Notwehrsituation. Doch dafür hatte Richter Kremer nur einen guten Rat übrig: "Dann hätte sie besser mal die Polizei gerufen."


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