Wir arbeiten da, wo andere Urlaub machen! Der Wahlspruch kommt Mike Bender locker über die Lippen. Er steht hoch überm Hahnenbachtal auf der Ruine Steinkallenfels und regelt die Hydraulik, mit der sich ein Steinbohrer mit ohrenbetäubendem Lärm in den Burgberg frisst. Polier Bender und seine Kollegen Sven Straub und Uwe Lehmann bereiten den Einbau des 45 Meter langen Sicherungsnetzes vor.
Das soll die drei Häuser vom Kallenfelser Hof künftig vor herabstürzenden Steinen schützen. Die Burgruine ist dem Zerfall preisgegeben und wird jetzt aufwendig und dauerhaft gesichert. Betreten verboten. Betreten der Ruine lebensgefährlich „Das wäre auch viel zu gefährlich", sagt Bender, als wir ihn vom Parkplatz zur Baustelle begleiten. Da gibt es Gewölbe am schmalen Weg, die sich nur als kleines Loch im Boden zeigen.
Und an der steilen Felswand, über der die Ritter vom Steinkallenfels einst in Fronarbeit ein kunstvoll gestaltetes Gemäuer aufsetzen ließen, tun sich tiefe Risse auf. Kleiderschrank-große Brocken könnten abstürzen. Bender zeigt uns einen solchen Kaventsmann, der nur noch auf einer schmalen Nase sitzt und irgendwann zu Tal poltern wird.
Nur, dass ihn das hochfeste Netz aus Federstahl bremsen wird, dass die Mitarbeiter der Würzburger Firma Königl bis zum Monatsende hier aufspannen werden. Ohne das Netz wär's für die Unterlieger lebensgefährlich.
Bender und seine Kollegen haben schon Erfahrung mit der Ruine Steinkallenfels, denn sie haben auch schon das Netz auf der wenige Meter unterhalb gelegenen Nachbarburg gespannt. So kennen sie den extrem harten Quarzitfelsen. Weil er dazu auch noch mit Klüften durchzogen ist, müssen die Löcher dennoch recht tief gebohrt werden. „Wir schaffen nur zwei bis drei Löcher am Tag", sagt Bender und zeigt uns einen abgearbeiteten Bohrkopf aus Hartmetall. Ein Loch, ein Bohrkopf.
Auf der gut 100 Meter entfernten Straße steht ein Kompressor. Der liefert die Kraft für den Drehmotor, den Vortrieb des Bohrkopfs und den „Imloch-Hammer", der das Quarzitgestein zertrümmert. Doch ehe die Männer darangehen können, die 75 Millimeter starken Löcher in den Felsen zu treiben, müssen sie sich sorgfältig sichern.
Dazu erkletterten sie den Burgfelsen, brachten Seile an, an denen sie nun gut 20 Meter über der Talsohle frei hängen. Dass das ein sprichwörtlicher Knochenjob ist, wird schon beim Betrachten von weitem klar. Jeder hat Sicherheitskleidung an, trägt Helm, Handschuhe, hat eine Werkzeugtasche umhängen. Gut acht Kilo wiegt die Ausrüstung, mit der sich Sven Straub und Uwe Lehmann am Felsen entlanghangeln.
Und wenn dann ein Bauteil herunterfällt – tja, dann ist Klettern angesagt. Rauf und runter. Ein schweißtreibendes Unterfangen bei Nieselregen im Januar. Normalerweise ist nach Weihnachten erst einmal Pause angesagt, doch der Winter 2014 meint es gut oder auch schlecht mit den Felssicherungsexperten. Je nach dem aus welchem Blickwinkel man die Sache sieht. Januar ist oft Ausruhzeit. Die fällt dieses Jahr flach.
Die Stadtverwaltung als Auftraggeber ist natürlich froh, dass trotz Winter ausnahmsweise auch mal im Januar geschafft werden kann, denn immerhin ist die Baustelle schon 15 Monate „eröffnet". Damals fiel der Burgturm am Kallenfelser Hof wie lange erwartet in sich zusammen. Auf gut 100 Tonnen schätzt Mike Bender das Gewicht des Schutthaufens aus Bruchstein. Der Turm war einst ein Grillplatz in der beliebten Ausflugsgaststätte. Aber so etwas wird es hier nicht mehr geben.
Die Sicherung der Ruine für den Publikumsverkehr wäre viel zu teuer – unbezahlbar. So bauen Bender und Kollegen einen Fangzaun zum Kallenfelser Hof und einen Zaun zum Stadtteil Kallenfels hin, damit niemand auf die Idee kommt, auf der Ruine herumzuklettern. In den nächsten Tagen haben die Königl-Mitarbeiter noch damit zu tun, Fundamente zu setzen und das große Finale vorzubereiten.
Dann sollen nämlich die im Tal zusammengeschraubten Bauteile per Helikopeter eingeflogen und verankert werden. Das soll dann in gut zwei Stunden erledigt sein. Als Stützen für den Zaun wurden bereits fünf tiefe Fundamentlöcher gebohrt. Darauf kommt nun noch ein Betonsockel mit Eisenbewehrung und eine Stahlplatte, auf die die Eisenstreben lasten.
Die Bohrlöcher etwas oberhalb im Fels werden mit Seilankern bestückt. Diese werden zusammen mit einem Injektionsschlauch in die Bohrlöcher geschoben und dann von unten nach oben mit Hilfe eines Kompressors mit Mörtel aufgefüllt. Das Fangnetz ist ausgelegt für 500 Jule pro Meter – der Zaun wird die Steine halten, die da über kurz oder lang zu Tal poltern.
Dass die Ruine immer kleiner wird, das liegt natürlich auch am Bewuchs. „Die Natur ist unser zuverlässigster Arbeitgeber", sagt Mike Bender. Wurzeln, Sträucher, Regen, Spaltenfrost – irgendwann kullern halt die von den Burgherren so massiv vor fast 1000 Jahren gesetzten Steine ins Tal.
Dort arbeiten, wo andere Urlaub machen: Im Rheintal, im Schwarzwald, im Fichtelgebirge. Bender und seine Kollegen kommen viel herum in Deutschland. Oft sind die Baustellen schwieriger, die Fels- und Steinwände höher. Mitunter müssen sie ihre tonnenschwere Ausrüstung kilometerweit durch den Wald schleppen.
Auf Steinkallenfels halfen sie sich und bauten eine kleine Seilbahn von der Straße zum Burgfuß. Von dort geht's dann geradewegs zur Baustelle. Die haben sie vor Wochen erst einmal freigeräumt, Buschwerk geschnitten, Kastanien gefällt. „Wir machen alles", sagt Bender. Er liebt seinen Beruf. Als Hobbykletterer ist der gelernte Hochbaupolier aus dem Erzgebirge prädestiniert für den Felssicherer-Beruf. Der ist hart aber schön. Armin Seibert