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Wie Steinbruch und Naturschutz harmonieren

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Kirn - Steinbruchbetrieb und Naturschutz. Passt das? Auf den ersten Blick öffnen sich mit Sprengbetrieb und Abraumhalden große Gegensätze zu Flora und Fauna. Aber es gibt zahlreiche Gemeinsamkeiten.

Und die möchte die Nahe Hunsrück Baustoffe GmbH beim Tag des offenen Steinbruchs vorstellen. Besonders das seit fünf Jahren laufende Amphibienschutzprogramm in Zusammenarbeit mit der Gor (Gesellschaft für Naturschutz und Ornithologie) steht für Naturschutz in den Werken der Basalt AG in Südwestdeutschland zwischen Neu-Bamberg und Rammelsbach.

Es geht um Pioniere in den nahezu vegetationsfreien Landschaften. Kreuzkröte, Wechselkröte, Geburtshelferkröte und Gelbbauchunke gehören dazu. Sie passen sich den wechselnden Bedingungen im Steinbruch schnell an, finden im Flachwasser eine vorübergehende Bleibe. „Mit sehr geringem Aufwand kann man gerade für diese Arten großen Nutzen schaffen", sagt der technische Leiter der NHB, Axel Euller. Oft genügt es, am Rand der breiten Fahrtrassen ein paar tiefe Radladerspuren zu hinterlassen, die sich dann mit Krötenlaich füllen. Ja, die Zusammenarbeit mit der GNOR funktioniere gut. Euller: „Wir haben viel voneinander gelernt."

Wo und wann sich die tierischen Pioniere im riesigen Steinbruch ansiedeln – oft bleibt das ihr Geheimnis. Sie sind da, auch wenn man sie nicht auf Anhieb entdeckt. Beim Besuch im Steinbruch stehen die riesigen Maschinen und der Fahrbetrieb im Vordergrund, doch in den stillen Ecken tummeln sich auch tierische Pioniere. Wo der Itzbach nach Starkregen als tosender Wasserfall die Steilwand herabrauscht oder im Hochsommer als Rinnsal durch die Felsen plätschert, finden auch zahlreiche Insekten und Vögel im Gebüsch und Schilf an der Steilwand gute Lebensbedingungen.

Ein Rotschwänzchen wippt über die Steine, jagt Insekten im Flachwasser. Die sonst um diese Jahreszeit häufig zu sehenden Eidechsen, die sich auf Steinhalden sonnen, sind in diesem extrem nassen und kalten Jahr bislang noch selten. Ein paar heiße Tage – dann wimmelt es.In einigen Bereichen des Kirner Hellberg-Steinbruchs ist die Ausdehnung in die Breite inzwischen abgeschlossen. Hier wird nicht mehr gesprengt. Aber bald geht es in die Tiefe. Noch zwei, drei Jahrzehnte kann wohl in Kirn der begehrte Andesit abgebaut werden.

Einige Millionen Tonnen schlummern noch im Untergrund. Und dann? Wird dann verfüllt, oder entsteht ein See? Wird der alte Steinbruch am Benkelberg hoch über Kirn dann über eine Fahrtrasse mit dem einen Kilometer entfernten Hellberg verbunden, und es geht Jahrzehnte weiter in Kirn? Das sind auch logistische Fragen. „Rohstoffe kann man nur dort gewinnen, wo sie sind", sagt Axel Euller. Das sollte natürlich möglichst umweltverträglich geschehen. Umweltverträglich bedeute auch, dass man Steine nicht über Hunderte von Kilometern transportieren sollte.

Fragen über Fragen. Auch die Antworten darauf können sich in den Jahrzehnten ändern, weiß Dr. Sabine Becksmann, die von der Zentrale in Kirn aus über 20 Steinbrüche betreut. Umwelt und Geologie sind ihre Themen. Da geht es beispielsweise um die bei Erweiterungen fälligen Umweltverträglichkeitsprüfungen. Flora und Fauna gehören stets dazu. „Die Natur verändert sich oft schnell. Pflanzen und Tiere, die bei Genehmigungsplanungen vor 20 Jahren vor Ort waren, gibt es dann nicht mehr, andere neue sind da." Auch die Nachnutzungsperspektiven ändern sich bisweilen. Früher war mal für den Hellberg Wiederverfüllung vorgesehen, derzeit ist ein See geplant.

Deshalb ist ein regelmäßiges Monitoring nötig, um den aktuellen Stand zu dokumentieren." Sabine Becksmann informiert: In der Regel sind Steinbrüche von Flora-Fauna-Habitaten und Vogelschutzgebieten umgeben. Auch am Hellberg sind am Rande der Abbauzone an den für Wanderer und Naturfreunde gefährlichen Klippen ideale Wohngebiete für seltene Vögel. Im alten Steinbruch am Johannisberg brütet ein Falke, weiß Werkleiter Lothar Kunz. Früher gab's auch Uhus. Doch Falke und Uhu vertragen sich nicht.

Ein seltener Ausnahmefall wird derzeit im BAG-Steinbruch Heilbronn gelebt: Vorn nistet der Falke, hinten der Uhu. In Weinheim sind Fledermäuse in Stollen eingezogen. So hat fast jeder Steinbruch seine Besonderheit. Beim Tag der offenen Tür am kommenden Sonntag, 23. Juni, erhalten Naturfreunde einen Überblick über aktuelle Naturschutzaktivitäten und die Entwicklungsgeschichte der abwechslungsreichen Natur in den Steinbrüchen.

Die Millionen Jahre alte Erdgeschichte ist für die ausgebildete Geologin Sabine Becksmann genauso interessant wie die kurzzeitige Entstehung eines Krötenbiotops, das Vorkommen der blauflügligen Öldlandschrecke, von Ringelnattern oder Libellen. Die schwirren manchmal nur zwei, drei Tage am Itzbachufer. Bei der Erdentwicklung geht es dagegen um Jahrmillionen. Der Hellberg wurde vor 280 Millionen Jahren geboren, im nahen Hunsrücksteinbruch Henau sind es 320 Millionen (Devon).

Auf kleinstem Raum zeigen sich die Erdzeitalter. Die sind für Fachleute auch an den Hellberg-Steilwänden zu lesen.Um die Wirtschaftlichkeit eines geplanten Abbaus festzustellen, werden heute tiefe Kernbohrungen vorgenommen, in regelmäßigen Abständen Gesteinsgutachten angefertigt. Man will ja wissen, mit welchen Qualitäten man im Untergrund zu rechnen hat. Die Untersuchungsmethoden sind vielfältig. Die Experten fasziniert, wie die Vorfahren ohne technische Hilfsmittel „augenscheinlich" die besten Steinbrüche gefunden haben.

Armin Seibert


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