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Offenbach-Hundheimer Streit geht weiter: Bürgerhaus bauen oder nicht?

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Offenbach-Hundheim - Der Streit ist entbrannt. Es geht um den geplanten Neubau des multifunktionalen Bürgerhauses an der Ecke Haupt- und Brückenstraße des 1200 Eiwohner großen Offenbach-Hundheim. Dabei stehen sich die beiden Wählergruppen des Gemeinderats, Lißmann und Hahn, gegenüber.

Bereits im Sommer 2012 beschloss der Gemeinderat mit den Stimmen der Liste Lißmann bei Gegenstimmen der Oppositionsliste Hahn die Investition in Höhe von rund 1 Million Euro (Hausbau 860 000 Euro plus 100 000 Euro für eine Fotovoltaikanlage). Abstimmungsentscheidend war damals eine Stimme – die von Ortsbürgermeisterin Jutta Lißmann.

Udo Reichel ist seit Kurzem Ruheständler, ehemaliges Gemeinderats- und VG-Ratsmitglied und war in den 90er-Jahren ein Jahr lang Erster Beigeordneter der Doppelgemeinde. Als ehemaliger Unternehmer weiß er um die Bedeutung seriösen Haushaltens. Doch genau dieses Prinzip werde „durch den Neubau missachtet". Er verweist auf die derzeitige Schuldenlast in Höhe von rund 1,6 Millionen Euro. Mit dem Bau und der dafür nötigen Kreditaufnahme rutsche das Dorf weiter in die Schulden, auf 2 Millionen.

Er kritisiert das „hemmungslose Geldausgeben" auf Kosten der nachfolgenden Generationen. „Wir werden niemals die Möglichkeit haben, unsere Schulden zurückzuzahlen", so Reichel, der auf die voraussichtlichen jährlichen Folgekosten von rund 40 000 Euro verweist, die nicht durch Einnahmen gedeckt werden könnten.

Wenn man das Feuerwehrhaus, das evangelische Gemeindezentrum und das bisherige Gemeindehaus am Marktplatz aufzähle, sei es schlichtweg überflüssig, ein viertes Bürgerhaus zu bauen, so Reichel. Es frustriere ihn, dass die Gemeinde einerseits Steuern und Gebühren erhöhe, am Entschuldungsfonds des Landes teilnehme und zur gleichen Zeit weitere Schulden anhäufe. Es sei zwar richtig, den „Schandfleck" in dieser prominenten Lage zu beseitigen. Aber das müsse mit einer Lösung geschehen, die keine Folgekosten verursache.

Auch dass das Land das Projekt mit rund 536 000 Euro fördere, sieht Udo Reichel „nicht als hilfreich" an. Förderungen dieser Art seien „süßes Gift", die zum Geldausgeben verleiteten. Auch könne er nicht verstehen, dass die Aufsichtsbehörden heutzutage solche Schuldenprojekte nicht stoppten. Die Mehrheit im Dorf teile seine Position. Und so hofft Reichel, dass der Gemeinderat doch noch einmal umkehre, die Neubaupläne einstampfe und sich alle Lager an einen runden Tisch setzten, um eine Alternative zu finden.

Mittlerweile sieht sich Udo Reichel von der Liste Hahn unterstützt. Hans-Josef Knieps, Gemeinderatsmitglied, kritisiert ebenfalls die „hoffnungslose Überschuldung", die man in der Privatwirtschaft als Insolvenzverschleppung brandmarke. Das dürfe nicht die Zukunft des Dorfes sein. Seine Wählergruppe schrieb daher in Sachen Bürgerhaus an die Landesregierung, den Bund der Steuerzahler, den Landesrechnungshof und den Bürgerbeauftragten. Lediglich Letzterer habe bislang geantwortet und seine Nichtzuständigkeit bekundet.

Knieps und die Wählergruppe Hahn schlagen als Alternative zum Bürgerhaus-Neubau den Bau einer überdachten und ummauerten Grillstelle. Für viele Offenbach-Hundheimer verschließe sich der Sinn, „wie ein multifunktionales Bürgerhaus mitten in einem Wohngebiet und auf einer Fläche von rund 150 Quadratmetern ohne unmittelbare Park- und sogar Haltemöglichkeit dem Wohle der Bürger dienen könne, schreiben Knieps und Peter Stein. Die Ortsbürgermeisterin argumentiere falsch. Fakt sei, dass für die kalkulierte Kreditaufnahme in Höhe von 350 000 Euro jährlich rund 25 000 Euro Schuldendienst fällig würden – zuzüglich die 40 000 Euro Unterhalt. Am morgigen Freitag, 20 Uhr, laden die Kritiker zu einer Informationsveranstaltung ins Feuerwehrhaus Hundheim ein.

Ortsbürgermeisterin Jutta Lißmann empfindet den „plötzlich entbrannten Protest als vorgezogenen Wahlkampf" mit Blick auf die Kommunalwahl 2014. Die Protestler der WG Hahn und Privatier Udo Reichel seien „ein Jahr zu spät mit ihrer Aktion" dran. Sie habe stets Wert darauf gelegt, dass die Meinungsbildung „vollkommen transparent" vonstatten ging: „Ich habe geradezu um Bürgerbeteiligung und -meinungen gebuhlt." Sie verweist auf ihr Ziel von Beginn an, den Zerfall des Ortskerns aufzuhalten.

Jutta Lißmann geht davon aus, dass das Bürgerhaus gebaut wird, selbst wenn sich eine Bürgerinitiative dagegen formiere. Alle Fachgremien gäben der Gemeindespitze recht. Landrat Winfried Hirschberger (SPD) habe sie bestärkt und zu Recht darauf verwiesen, dass mit der Investition das Vermögen der Gemeinde um rund 1 Million Euro steige. Die Kritiker verschwiegen, dass der Verkauf des bisherigen Gemeindehauses am Marktplatz rund 100 000 Euro bringen solle.

Udo Reichel sei jetzt erstmals mit seiner Position öffentlich in Erscheinung getreten, kümmere sich sonst nicht ums Dorf – weder in den Arbeitskreisen Dorferneuerung noch an Bürgerversammlungen und auch nicht an den Gemeinderatssitzungen, die vergangene Sitzung ausgenommen. Das Hundheimer Feuerwehrhaus sei nur eingeschränkt als Gemeindetreff zu nutzen, dessen Umbau sei nicht förderfähig.

Der Vorschlag der überdachten Halle mit Grillstelle sei „ein aus tiefer Not der Wählergruppe Hahn geborener halbherziger Vorschlag, der einer näheren Prüfung nicht standhalten konnte", betont die Ortsbürgermeisterin. „Das alles weiß er entweder nicht oder aber er will es nicht zur Kenntnis nehmen. Es ist, als ob vier Jahre intensivster Arbeit für unser Dorf unter erheblichem persönlichen Einsatz der daran Beteiligten spurlos an ihm vorübergegangen seien. Das verwundert aber nicht, denn er hat sich ja nirgendwo in diesen Prozess eingebracht."

Die Ortsbürgermeisterin gibt zu bedenken, dass man eine strukturschwache Gemeinde entweder rigoros zu Tode sparen oder „mit Maß und Ziel" Geld in die Hand nehmen könne, um deren Strukturschwächen zu mildern und den Trend umzukehren. Dafür lohne es sich auch, in einem vertretbaren Rahmen Schulden zu machen, denn: Jeder investierte Euro habe einen Multiplikator-Effekt und generiere ein Mehrfaches an Wertschöpfung, die in der Region verbleibe.

Sie verweist auf die acht privaten Maßnahmen, die in der laufenden Dorferneuerung durchgeführt würden. Ihr Gesamtwert: rund eine halbe Million Euro. „Offenbach-Hundheim sei auf Initiative der Wählergruppe Lißmann nicht deswegen Schwerpunktgemeinde der dörflichen Entwicklung geworden, „um Fördergelder des Landes einzusparen, sondern um sie in sinnvollen Projekten zielgerichtet auszugeben". Das gelte natürlich gleichermaßen für den gesamten Prozess der Dorferneuerung. Jutta Lißmann: „Alles andere wäre absurd."

Innenminister Roger Lewentz (SPD) hat der Gemeinde Offenbach-Hundheim Mittel aus dem rheinland-pfälzischen Dorferneuerungsprogramm in Höhe von 536 300 Euro für die Errichtung des multifunktionalen Dorfgemeinschaftshauses bewilligt. „Damit hat die Gemeinde mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Einerseits konnte ein nicht mehr erhaltenswertes Gebäude erworben werden. Durch den Baulückenschluss entsteht ein neues Gebäude, was sich hervorragend mit einer guten Dorfarchitektur in das Ortsbild integriert. Zudem hat die Gemeinde mit dieser Maßnahme einen wesentlichen Beitrag zu einem attraktiveren Ortskern und zur Stärkung der Innenentwicklung geleistet", so der Minister in einer Pressemitteilung am Dienstag.

Mit dem Dorfgemeinschaftshaus entstehe ein kommunales Zentrum in der Ortsmitte, was gleichzeitig auch eine Verbesserung der kommunalen Infrastruktur bringe. Ziel sei es auch, so Lewentz weiter, gemeinschaftliches Leben zu fördern und Raum für Freizeitaktivitäten zu schaffen. „Das neue Dorfgemeinschaftshaus ist somit ein wichtiger Baustein für die künftige Dorfentwicklung von Offenbach-Hundheim", schreibt der Minister. (art)


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