Koch war im Dezember 2010 vor laufenden Kameras bei „Wetten dass...?" so schlimm verunglückt, dass er seitdem vom Hals ab gelähmt im Rollstuhl sitzt. Seine Erlebnisse und Empfindungen hat der 25-Jährige in seinem Buch „Zwei Leben" verarbeitet. Jetzt ist er deutschlandweit mit Harfst und dessen Band auf Konzertlesungstour.
In der „Brücke" begeisterten sie gemeinsam 350 Gäste, die so berührt waren, dass der Großteil nach dem zweistündigen Programm am liebsten noch stundenlang sitzen geblieben wäre. Wir hatten die Gelegenheit, mit Samuel Koch nach der Veranstaltung zu sprechen.
Herr Koch, wie emotional sind solche Abende für Sie?
Mal mehr, mal weniger. Das hängt auch davon ob, wie sehr ich mich Assoziationen und Emotionen hingebe. Mal kann ich ganz nüchtern und rational über schmerzhafte Momente reden, mal kommt schon einiges hoch.
Und wie war es heute Abend in Bad Kreuznach?
Mir hat es gefallen. Ich fand, das war ein sehr schöner Abend mit einer schönen Atmosphäre.
Zweieinhalb Jahre ist der Unfall her. Wie geht es Ihnen?
Rein medizinisch gesehen muss man unterscheiden. Neurologisch-motorisch ist nicht wirklich was passiert, was so viel heißt, dass kein Muskel gravierend hinzugekommen ist. Motorik und Sensorik sind aber im Rückenmark getrennt. Und sensorisch ist einiges passiert – sei es, dass ich den Finger ein bisschen besser spüre oder den Fuß. Ihr Buch heißt „Zwei Leben". Was hat Ihnen die Kraft für dieses zweite Leben gegeben. (schmunzelt) Erst mal würde ich mich fast etwas feige von diesem Titel distanzieren, denn es ist nach wie vor ein und dasselbe Leben, und ich bin ein und derselbe Typ. Es sind natürlich einige Punkte, die mir die Kraft geben. Ganz aktuell das Studium (Koch studiert Schauspiel in Hannover und hat ein Fernstudium der Psychologie begonnen, Anm. d. Red.). Oder eine Beschäftigung wie heute Abend, die meinem Alltag Sinn verleiht und mich dadurch ermutigt. Meistens ist es aber ein Umfeld von Menschen: Familie, Freunde, Kommilitonen. Menschen, die mir helfen, den Alltag zu bewältigen.
Die Nähe zu Gott spielt für Sie eine wichtige Rolle. Hat sie der Unfall in Ihrem Glauben erschüttert?
Er hat mich schon erschüttert. Vieles hat sich bei mir relativiert. Ich habe natürlich viel hinterfragt, gezweifelt und gerätselt. Tue es auch heute manchmal noch. Aber der Glauben gibt mir auch Kraft. Wenn ich mich zurückziehe, für mich allein bin, dann kommuniziere ich mit dem Erfinder des Rückenmarks. In solchen stillen Momenten entsteht dann – zumindest teilweise – eine Art innere Zufriedenheit. Akzeptanz wäre zu hoch gegriffen, aber es ist eine Form von innerem Frieden.
Das Gespräch führte Stephan Brust
Die Konzertlesung: Ein Abend voller Emotionen
Eine begnadete Band, zwei Sessel und eine Lampe. Mehr brauchte es nicht. Die Konzertlesung von Samuel Harfst und Samuel Koch war ein Erlebnis. Die Hauptdarsteller sowie die vier weiteren Bandmitglieder von Harfst zauberten eine Atmosphäre in das Gemeindezentrum „Die Brücke", die eine Palette an Emotionen hervorrief – von Nachdenklichkeit über Gänsehaut bis zur puren Freude.
„Wenn man hört, wie Samuel Koch mit seinem Schicksal umgeht, dann ist das einfach Mut machend", betonte Pastor Roland Mörtzschke. Sein Sohn Michael hatte die Veranstaltung organisiert, am Abend packte ein großes Helferteam aus der Christengemeinde an. Bei 350 Besuchern blieb kein Platz leer. Und alle waren angetan – von Samuel Koch, aber auch von der Chemie zwischen ihm und Harfst, der mit warmen, deutschen Songs brillierte. „Für mich ist Sammy in erster Linie ein Freund", erzählte Harfst.
Die beiden lernten sich 2012 kennen, während Koch zur Reha in der Schweiz war. „Wir haben ein bisschen rumgealbert und gesagt, wir könnten doch mal was zusammen machen", meinte der 26-Jährige, der als Straßenmusiker begann und mit „Schritt zurück" gerade sein sechstes Album veröffentlicht hat. Aus der Idee entstand eine Deutschlandtour. Start war am Sonntag in Berlin, Abschluss ist am 25. September in Bielefeld.
Das Konzept funktioniert. Beide harmonieren prächtig. Harfst spielt mit seiner Band Lieder, die perfekt auf die Passagen aus Kochs Buch „Zwei Leben" abgestimmt sind. Hinzu kommen unterhaltsame und spontane Dialoge zwischen beiden auf den Sesseln – als ob sie Zuhause im Wohnzimmer säßen. „Kein Abend ist wie der andere", sagt Samuels Bruder David Harfst, der Schlagzeug und Keyboard spielt. In „Zwei Leben" beschreibt Koch die Stationen, die er in der Therapie durchwandert: Nach dem Schock, der Wut und Verzweiflung entscheidet er sich, nicht aufzugeben, weiterzuleben („Was hilft, ist die Hoffnung."). Er lernt, sein neues Leben zu akzeptieren. Und am Ende des Buchs hält er es frei nach Heinz Erhardt: „Falls fallend Du vom Dach verschwandest, so brems, bevor Du unten landest."