Bad Kreuznach. Der Eintritt in die Werkstatt von Wolfgang Sachse gleicht einer Zeitreise. Stoisch tickende Wanduhren aus Holz, der Inbegriff der analogen Zeit, geben hier den Takt an. Fast allen hat der Uhrmachermeister wieder neues Leben eingehaucht.
Nach seiner Flucht 1989 aus der DDR kam der gebürtige Erfurter über Umwege nach Bad Kreuznach und übernahm dort das Uhren- und Schmuckgeschäft Kremer am Salinenplatz. "Wir mussten uns erst einmal eine Landkarte kaufen, weil wir nicht wussten wo Bad Kreuznach liegt", erinnert sich der 61-jährige Uhrmachermeister schmunzelnd und fügt ernst hinzu: "Wir wollten damals vor allem eins: weit weg von der DDR."
Das Handwerk wurde Sachse in die Wiege gelegt. Bereits sein Vater war selbstständiger Uhrmacher. Gelernt hat er seine Kunst allerdings nicht im heimischen Betrieb. Dafür war schon damals sein Drang nach Eigenständigkeit zu groß, als dass er sich den Gegebenheit anpassen wollte. "Es hieß damals: Eine Lehrstelle als Uhrmacher bekommen nur Körperbehinderte und Mädchen", womit er auf den staatlichen Einfluss bei der Berufswahl in der DDR anspielt. "Da hab ich mich erst recht reingesteigert, um den Beruf lernen zu dürfen." Die Leidenschaft für sein Metier hat er behalten - die Liebe zur Technik und die Freude darüber, wenn die vielen Einzelteile wieder ein tickendes Ganzes ergeben.
Doch die Zeiten haben sich geändert. Große Handelsketten und das Internet machen es Handwerkern wie Wolfgang Sachse schwer, sich am Markt zu behaupten. "Ein eigenes Geschäft zu betreiben lohnt eigentlich nur noch, wenn man es erbt", meint Peter Wurster, das als Obermeister der Fachinnung für Uhren, Schmuck- und Zeitmesstechnik Süd-West vorsteht. Von den 65 Uhrmacherbetrieben im Jahr 2007 waren 2012 nur noch 55 bei der Handwerkskammer in Koblenz eingetragen. Auch die Zahl der Auszubildenden ist rückläufig. "Das Uhrmacherhandwerk ist nicht mehr wie früher. Es ernährt keinen Mann mehr. Es war schon immer schwierig, aber heute bestimmen große Firmen den Markt", sagt Peter Wurster.
Auch Sachse teilt diese Erfahrung. Er musste aus wirtschaftlichen Gründen mit seinem Geschäft in die Zimmergasse ziehen. Doch die Liebe zu seinem Beruf und dass Ticken der Uhrwerke lassen ihn weitermachen. "Die Zeit vergeht nur zu schnell", meint der Uhrmacher lächelnd.
Von unserem Volontär Benjamin Stöß