Von unserer Redakteurin Denise Bergfeld
In der Tatnacht hatte der Angeklagte mit seinem späteren Opfer heftig gestritten, nachdem ein Teller heruntergefallen war und ihn der Wirt des Lokals verwiesen hatte. Der Angeklagte verließ kopfschüttelnd den Imbiss, ging in seine Wohnung und holte dort zwei Messer. Zurück im Lokal fackelte er nicht lange und stach mit einer 18 Zentimeter langen Klinge zu. Zur Tatzeit hatte er mehr als zwei Promille Alkohol im Blut. Das Gericht sprach ihn deshalb schuldig wegen Totschlags mit verminderter Schuldfähigkeit. Die Schwurgerichtskammer entschied außerdem, dass der Angeklagte während der Haft einen Alkoholentzug machen muss.
Als der Vorsitzende Richter Bruno Kremer dem Angeklagten das abschließende Wort erteilte, entschuldigte sich dieser: „Es tut mir wirklich sehr weh, wenn ich die Betroffenen hier anschaue“, sagte er mit Blick auf Frau und Schwester des Getöteten. „Ich wollte noch mal sagen, dass alles, was passiert ist, mir wirklich sehr wehtut und sehr leidtut.“ Er habe Alkohol getrunken und gedacht, damit schade er nur sich selbst. Letztendlich musste er aber feststellen, dass es anders war.
Gleich zu Verhandlungsbeginn hatte der Angeklagte eingeräumt, dass er billigend in Kauf nahm, sein Opfer mit dem Messerstich zu töten. Damit gab er erstmals zu, dass er dem Imbisswirt den Stich nicht, wie anfänglich behauptet, versehentlich zugefügt hatte – nämlich als der Wirt von seinem Stuhl aufstehen wollte und der Angeklagte das Messer noch über ihn hielt – sondern vorsätzlich.
„So eine Verletzung kann unmöglich durch eine zufällige Bewegung verursacht worden sein“, betonte auch Staatsanwältin Christine Mossem. Sie hatte beantragt, den Angeklagten wegen Totschlags mit verminderter Schuldfähigkeit zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft zu verurteilen. Zur Diskussion um die Rettungskette betonte Mossem, sie habe funktioniert, so wie sie derzeit festgelegt ist. „Vielleicht hat dieses Verfahren als Nebeneffekt eine Diskussion in Gang gesetzt“, sagte Mossem. Unter anderem darüber, ob nicht mehr Geld in die Rettungskette fließen und ob gesetzlich festgelegt werden sollte, dass ein Notarzt in 15 Minuten am Einsatzort eintreffen muss.
„Er ist nach alldem zwar kein Mörder, aber ein Totschläger“, sagte die Staatsanwältin. Einen minderschweren Fall schloss sie aus: „Der Angeklagte hat sich bewusst zu Hause für den Einsatz zweier großer Messer entschieden“, sagte sie. Und das, obwohl er die ganze Zeit ein anderes Messer in seiner Tasche hatte. Eine verminderte Schuldfähigkeit liege vor, da der Angeklagte betrunken war.
„Das Urteil ist für uns enttäuschend“, sagte Rechtsanwalt Kubilay Senal, der die Frau des Getöteten vertritt, nach Prozessende. Er hatte eine lebenslange Strafe wegen Mordes für den 39-Jährigen gefordert. Der Angeklagte habe aus Geltungsbedürfnis und gesteigertem Ehrgefühl heraus getötet und seine Entschuldigungen seien lediglich „Lippenbekenntnisse“. „Die Annahme eines Mordes konnte nicht vorgenommen werden“, begründete Kremer das Urteil. Denn für einen Mord müssen bestimmte Bedingungen vorliegen, etwa niedrige Beweggründe oder Heimtücke. „Von denen ist hier keines gegeben“, sagte Kremer.
Die Anwälte des Angeklagten, Michael Bernard und Thomas Scheffler, hatten für eine höchstens siebenjährige Haftstrafe plädiert. „Der Angeklagte trägt die Schuld für seine Tat“, sagte Bernard. Es sei aber ein Unterschied, ob allein die Stichverletzung zum Tode führte, oder ob weitere unglückliche Umstände hinzugekommen seien. Wie weit ein Messer eindringt, sei Zufall, habe die Gutachterin bestätigt. Er betonte: Grundsätzlich hätte die Verletzung behandelt werden können, etwa wenn das Opfer direkt vor der Mainzer Uniklinik zusammengebrochen wäre. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.