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Frisch vom Milchhof bis vor die Haustür: Familienbetrieb liefert direkt zum Kunden

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Von unserer Redakteurin Denise Bergfeld

"Das ist die Fiat", sagt er und zeigt auf eine Kuh, die auf einer dicken Einstreumatte in einem großzügigen Stall steht. Sie hat gerade ein Kälbchen geboren, beugt sich über das Jungtier und leckt es sauber. "Das muss gerade erst gekommen sein, es ist noch keine Stunde alt", sagt der Milchbauer.

Der Milchhof Soonwald ist ein Familienbetrieb. Christian Bange hat ihn von seinen Eltern übernommen. Vor sechs Jahren standen er und seine Frau Sandra vor einer grundlegenden Entscheidung. Sie mussten sich überlegen, wie es mit dem Hof künftig weitergeht. Sandra Bange wollte nach ihrer Elternzeit in den Familienbetrieb einsteigen. "Aber das Einkommen war uns einfach zu gering", sagt ihr Mann. Es gab zwei Möglichkeiten: den Hof wesentlich zu vergrößern oder auf ein komplett neues Konzept umzustellen.

Das Ehepaar entschied sich für den zweiten Weg. Sie beschlossen, eine Dienstleistung wiederzubeleben, die lange Zeit totgesagt war: Der Milchhof Soonwald produziert frische Milch und Joghurt und liefert direkt an die Haustür. Sie sind damit heute einer von nur zwei Betrieben in ganz Rheinland-Pfalz, die diesen Weg gehen. Mit der Direktvermarktung lassen sich für die Bauern höhere Erlöse erzielen. "Bei den großen Molkereien hängen unheimlich viele Menschen in der Kette, die davon leben wollen", sagt Christian Bange. Diese Spanne, dachten sich die Banges, könnten sie doch selbst verdienen.

Jedes Jahr muss eine Milchkuh ein Kalb auf die Welt bringen, damit sie weiter Milch gibt. Das neugeborene Kalb auf dem Milchhof Soonwald blickt mit großen Augen in die Welt. Milchbauer Christian Bange wird es heute noch bei seiner Mutter lassen. Einen Tag, dann werden Kuh und Kalb getrennt. "Manche trennen sie sofort, das möchte ich nicht", sagt der 41-Jährige. Aber länger als einen Tag kann er Kuh und Kalb auch nicht beisammen lassen. "Dann wird der Trennungsschmerz zu groß", weiß er aus Erfahrung.

Die Direktvermarktung seiner Milchprodukte hat in der Region einen Nerv getroffen: "Unsere Vorstellung, was die Wirtschaftlichkeit angeht, ist mehr als aufgegangen", sagt der Milchproduzent. Was mit einem Lieferwagen und einer Tour begann, ist heute bei fünf Lieferwagen und 20 Mitarbeitern angekommen, inklusive Teilzeitkräften und geringfügig Beschäftigten. "Hätte uns das einer vor sechs Jahren gesagt, wir hätten es nicht geglaubt", sagt Christian Bange.

An sechs Tagen pro Woche wird unter anderem in die Kreise Bad Kreuznach, Mainz-Bingen und den Rhein-Hunsrück-Kreis ausgeliefert. Jeden zweiten Tag füllen die Mitarbeiter die Milch ab, an den übrigen Tagen produzieren sie Natur- und etliche Sorten Fruchtjoghurt. "Die Arbeitsbelastung ist sicher grenzwertig", räumt Christian Bange ein. Damit die Fahrer die Milch frisch ausfahren können, stehen die Banges oft nachts schon in der Molkerei. "Montags beginnen meine Frau und ich um 1.30 Uhr mit dem Abfüllen, damit wir morgens rechtzeitig fertig sind", sagt er. Dann gehen die Kinder in die Schule. Doch auf dem Hof ist weiter viel zu tun. Die Kühe brauchen Futter, der Stall muss sauber sein, die Wagen fahrbereit, Kunden rufen an und wollen ihre Bestellungen ändern, Flaschen müssen gereinigt und die Ernte will eingefahren werden.

 

Auch "Fiat" wird in 14 Tagen wieder Milch für die Hofkunden geben. Davor aber bekommt nur ihr Kalb ihre Milch, damit es sein Immunsystem durch die darin enthaltenen Stoffe aufbauen kann. Danach lässt sich Fiat wieder wie die anderen Kühe von dem Melkroboter im Stall melken. Die Kuh muss dafür ein Gatter passieren, und die Maschine erkennt an einem Chip, den sie um den Hals trägt, ob sie melkbereit ist. Sechs Stunden müssen seit dem letzten Mal verstrichen sein, sonst springt der Melkroboter nicht an.

Der Vorteil für die Tiere ist, dass sie selbst entscheiden, wann sie gemolken werden. Meidet eine Kuh 24 Stunden lang den Roboter, meldet der Computer das dem Bauern. "Ich habe zehn Kühe, die nicht allein zum Melken gehen wollen", sagt er. "Denen gebe ich einen Klaps auf den Hintern, und dann funktioniert das." Christian Bange lacht, kurz darauf wird er wieder ernster: "Andere hätten die vielleicht schon zum Metzger gebracht, aber mir macht das nichts aus. Ich bin gern im Stall."

In der Molkerei wird die Milch anschließend pasteurisiert, für 20 Sekunden auf 72 Grad Celsius erhitzt, um eventuelle Keime abzutöten. Danach füllen die Mitarbeiter sie in Mehrwegflaschen. "Unsere Milch ist maximal einen Tag alt, wenn sie beim Kunden ankommt", sagt Christian Bange. Sie bleibt ansonsten naturbelassen und rahmt auf. Das bedeutet: Der fette Rahm trennt sich vom Wasser und schwimmt oben. Mit dem Löffel abgeschöpft, kann er als Sahne verwendet werden. Die Milch, die nicht direkt verkauft wird, geht an eine Großmolkerei. "Wir produzieren keine Abfälle", sagt der Milchbauer. Lebensmittel zu vernichten, sei für ihn ein Unding.

Die eigentlichen Produzenten, die rot- und schwarzbunt gemusterten Holsteinkühe, leben in einem Boxenlaufstall, wo sie sich frei bewegen können. Jede Kuh kann sich eine Liegebox aussuchen. Im Sommer entscheiden sie, ob sie auf die Weide gehen oder im Stall bleiben. Die Tiere erhalten fast ausschließlich selbst produziertes Futter wie Gras- und Maissilage, Heu und Getreide. Einen geringen Anteil Kraft- und Mineralfutter kaufen die Banges hinzu. "Wir garantieren, dass unsere Tiere kein gentechnisch verändertes Futter erhalten", sagt der Bauer. Deshalb verzichtet er auf Soja und greift auf eiweißreiche Alternativen wie Rapsschrot oder Biertreber zurück.

Der Betrieb erhält immer wieder Anfragen von interessierten Kunden aus angrenzenden Gebieten, die nicht beliefert werden. Das Potenzial ist da, weiter zu wachsen. Dennoch: Bei den 130 Milchkühen soll es in Zukunft bleiben. "Wir wollen zwar mehr Produkte anbieten, unser Gebiet aber nicht maßlos weiterwachsen lassen", betont Christian Bange.

Das neugeborene Kalb indes trägt noch keinen Namen. Der Milchbauer wird aber bald einen für den jungen Bullen aussuchen. Allein der 41-Jährige weiß auch, warum die Mutterkuh Fiat heißt, so wie eine italienische Automarke: Alle weiblichen Nachkommen erhalten einen Namen mit dem Anfangsbuchstaben des Muttertiers. "Wir haben hier ziemlich viele Kühe mit F", sagt er. Da müsse man eben auch mal etwas "flexibler" bei der Namensfindung sein.


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