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Channel: Nachrichten aus dem Oeffentlichen Anzeiger Bad Kreuznach
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Von wegen reine Männersache: Jagd ist (auch) weiblich

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Kreis Bad Kreuznach - Mehr als 30 Schützen, Hundeführer und Treiber trafen sich zur ersten Mandeler "Anrührjagd". Das Sagen hatte eine Frau: Carmen Thomas-Bechtoldt.

Seit 20 Jahren besitzt sie den Jagdschein, ist ausgebildete Jagdhundeführerin, erfahrene Jagdhornbläserin und engagierte Funktionärin. Ihr Wunsch und erklärtes Ziel ist es, die Frauen noch weiter im Kreis der Jagdausübenden zu etablieren und zu emanzipieren.

Gute Anfänge sind gemacht. Auch bei der Mandeler Jagd - der ersten, die Carmen Thomas-Bechtoldt eigenverantwortlich organisiert - sind acht Jägerinnen mit von der Partie und reihen sich ganz selbstverständlich in den Kreis der Männer mit Thermokleidung und Warnwesten ein. Die statistischen Zahlen ermutigen, sagt Kreisjagdmeister Dr. Hans-Joachim Bechtoldt aus Bad Münster-Ebernburg. Rund ein Fünftel der jährlich rund 120 Jägerprüfungsanwärter in der Region sind weiblich. Der Landesjagdverband Rheinland-Pfalz hat knapp 18 500 Mitglieder, acht Prozent davon - also fast 1500 - sind Jägerinnen, die auch in einschlägigen Ehrenämtern eine immer größere Rolle spielen.

Jägerinnen gehören dazu

"Jägerinnen auf dem Weg zur Emanzipation" überschreibt der Kreisjagdmeister den Trend, in dessen Folge auch seine Frau Carmen eine Gruppe Gleichgesinnter um sich geschart hat. Mitjägerinnen sind zum Beispiel Marieluise Thomas aus Mandel, Dr. Silke Steinbring aus Bad Kreuznach, Matina Schenk und Anna Kleber und Jenny Raab aus Biebelsheim, Alexandra Land aus Waldalgesheim und Anke Kurz aus Roxheim.

Schweigen, Frieren, Schießen, Töten gehören zur Jagd wie das Aufbrechen der erlegten "Stücke", das Schüsseltreiben und manch derber Spruch. Typisch weiblich klingt das zunächst nicht, aber für die Jägerinnen ist dies Teil ihres Hobbys. Nicht jeder ihrer Geschlechtsgenossinnen mag dies liegen, aber burschikose Flintenweiber sind die Frauen in Grün beileibe nicht. Bei der Jagd gibt es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft, sagt die Gastgeberin. "Auch die Ernte gehört dazu", sagt sie und meint, dass die erlegten Tiere selbstverständlich auch "versorgt" werden müssen. Viele Frauen kommen über familiäre Traditionen, durch Partner oder Ehemänner zur Jagd, sagt Carmen Thomas-Bechtoldt. Dabei seien die verschiedensten Schichten und Berufsgruppen vertreten. Sie selbst entstammt der Mandeler Jägerfamilie Thomas. Ihr Bruder Heinrich ist Pächter der 600 Hektar großen Mandeler Jagd, sie und ihre Schwester Marieluise sind Mitpächterinnen. Mit ihrem Ehemann, dem Kreisjagdmeister, hat sie die Bereitschaft zum Engagement gemeinsam: Die Jägerin ist langjährige Obfrau für jagdliches Brauchtum der Kreisgruppe Bad Kreuznach und stellvertretende Obfrau der Regionalgruppe Süd im Landesjagdverband. Die aktive Jagdhornbläserin ist zudem Mitglied im Prüfungsausschuss für Jagdaufseher und im Jägerprüfungsausschuss der Kreisgruppe. Mit "lieber Hörnerschall als Handyschwall" beschreibt ihr Mann, der Kreisjagdmeister, dieses geballte weibliche Engagement.

Bei Umfragen nannten laut dem Deutschen Jagdverband die Jungjägerinnen folgende Hauptmotive für ihr Hobby: Naturverbundenheit, angewandter Naturschutz, Freude an der Jagd und die Jagdhundeausbildung.

Kaffee, Kuchen und klare Ansagen

Die Beteiligten in Mandel sind ganz Ohr, als die Jagdherrin ihre Anweisungen gibt. Zum Abschuss freigegeben sind weibliches Rehwild, Schwarzwild mit Ausnahme von führenden Bachen mit abhängigen Frischlingen sowie Raubwild wie Fuchs, Dachs und Marder. Sicherheit hat Vorrang, Disziplin geht über alles. Bei der Registrierung und Einteilung stehen Kaffee und Kuchen auf den Tischen. Jeder hat seinen Platz, ob als stationärer Standschütze, als Durchgehschütze, als Treiber oder als Hundeführer. Die Regeln sind bekannt, werden aber noch einmal betont: Jeder Standschütze hat und hält Sichtkontakt zum Nebenmann. Nur die Hundeführer sind für die Nachsuche zuständig und setzen bei Bedarf den Fangschuss.

In Deutschland liegt der Anteil der Frauen unter den Jägern bei rund zehn Prozent - Tendenz steigend. Übertroffen werden sie in Europa lediglich von den Norwegerinnen mit zwölf Prozent.

Am Abend wird die Strecke gelegt und mit Jagdhornklang verblasen. Ein Stück Rehwild und zwei Füchse sind die kleine Ausbeute. Eine besondere Ehre wird vier Jungjägern zuteil. Dr. Anke und Stefan Kurz (Roxheim), Jenny Raab (Biebelsheim) und Christian Heimann (Siefersheim) werden mit dem Waidblatt, einem Messer mit großer Klinge, unter Hörnerschall zum Jäger geschlagen.

Und dann wartet natürlich das Schüsseltreiben auf die hungrigen Männer und Frauen des edlen Waidwerks - Jägerlatein inbegriffen. Beim Essen sind die traditionsbewussten Grünröcke offensichtlich flexibel: Im Mandeler Gasthaus Zur Linde kommen Schweineschnitzel auf den Tisch.

Rainer Gräff


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