Erstmals kam ein Gast mit zweifachem Personenschutz. Mit 70 Zuhörern war der Besuch so stark wie schon seit zwei Jahren, seit dem mittlerweile verstorbenen Konzertveranstalter Fritz Rau, nicht mehr. Und Kurt Beck hätte so viel mehr erzählen können als in diese eineinhalb Stunden passten.
Moderator Gerhard Engbarth erinnerte das gespannte Publikum zuvor an die Richtlinie für alle Fragen: „Kurz, knapp, knackig und keine Statements abgeben!" Kurt Beck wurde mit warmem Applaus empfangen. Schon eine Stunde zuvor war er in Sobernheim eingetroffen. Seit 16. Januar, dem Tag seines Abschieds als Ministerpräsident, sind elf Monate vergangen.
Kurt Beck beginnt. Eine schwere Hautkrankheit habe seine Pubertät begleitet. In seinem Heimatdorf Steinfeld (Südliche Weinstraße) stand er in dieser Zeit eher am Rande, durfte, anders als seine Freunde, nicht Messdiener werden. Schon früh dachte er darüber nach, warum keiner aus dem Dorf eine weiterführende Schule besucht, vom Sohn des Arztes einmal abgesehen. Diese Erfahrungen mit Gerechtigkeit, Gleichheit und sozialer Ausgrenzung brannten sich dem jungen Kurt ein, bestimmten sein politisches Leben und Wirken. Bereits mit Anfang 20 heiratete er seine Roswitha. Ihr gemeinsamer Lebensweg ist schon 43 Jahre lang.
Heute, als „Politikrentner", nehme er immer noch mehr als 20 Ehrenämter deutschland- wie weltweit wahr und leiste dafür gut 60 Stunden pro Woche. „Papa Ante Portas", der quengeligen Rentner im eigenen Heim, will er nicht sein. Er schaut lieber, wo er helfen kann. All das erzählt Kurt Beck mit einem Elan, für den man den 64-Jährigen nur beneiden kann. Die Eieruhr zeigt noch zwei Minuten an, als Gerhard Engbarth das Gespräch nach acht Minuten wieder übernimmt. Das ist selten. Viele müssen nach den einführenden zehn Minuten gebremst werden.
Was war Becks Traumberuf? Raumfahrer. Seine prägenden Förderer und Vorbilder? Willy Brandt („Mehr Demokratie wagen – diese Rede hat uns im Betrieb elektrisiert"); Wilhelm Dröscher („Der gute Mensch von Kirn, dem auch die kleinsten Anliegen wichtig blieben"); Klaus von Dohnanyi („Er hat mich zur Kandidatur bewogen.").
Das Schöne an der Sobernheimer Runde ist, dass keine Politik gemacht wird. Und kein Kommerz. Keine Abrechnungen, keine Angriffe werden gefahren. Das Publikum weiß und respektiert es. Der Nürburgring, das „Abservieren" als SPD-Parteivorsitzender 2008 – kein Wort über diese harten Stationen im Leben des Kurt Beck.
Indes lässt er durchblicken, dass das Klima im Landtag vergiftet sei: Nach den Sitzungen fraktionsübergreifend ein Bier miteinander zu trinken – das gehöre der Vergangenheit an. Die neue Generation Landespolitiker sei nur noch damit beschäftigt, aus jedem Detail den eigenen parteipolitischen Vorteil zu ziehen – in der Öffentlichkeit. Kurt Beck warnt die Bad Sobernheimer Kommunalpolitiker davor, es soweit kommen zu lassen.
Trotz dieses Haifischbeckens Politik rate er jedem jungen Menschen, sich zu engagieren. Es wenigstens mal probiert zu haben: „Ein Leben, in dem man sich für nichts engagiert, ist unerfüllt." Und er pries die Vorzüge des Berliner Koalitionsvertrags zwischen CDU und SPD. Politische Korrektheit und Souveränität kennzeichnen den Besuch Becks in Sobernheim. Nur beim Fußball, da will er keinerlei Diplomat sein, macht aus seiner Liebe zum 1. FCK keinen Hehl. „Bei den Heimspielen sitze ich neben Horst Eckel. Das müssen sie mal erleben. Ihm machen es die Jungs da unten niemals recht."
Zum FSV Mainz 05 gehe er nicht mehr, nachdem ihm bei der Stadioneinweihung einst „der blanke Hass" entgegengeschlagen sei. Immerhin: Die Vereinsführung habe sich bei ihm entschuldigt. Martin Köhler