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Channel: Nachrichten aus dem Oeffentlichen Anzeiger Bad Kreuznach
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Riesen-Rotoren schrecken die Daubacher auf

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Daubach - Zehn Windräder mit einer Nabenhöhe von 163 Metern sollen bei Daubach aufgestellt werden. Gegen das Projekt von Juwi Wörrstadt formiert sich Widerstand.

Nein, sie sind keine Gegner alternativer Energiegewinnung. Auch sie brauchen Strom. Täglich. „Ich will nicht abends mit dem Fahrraddynamo mein Licht im Wohnzimmer erzeugen", betont Manfred Espenschied. Wenn sich einige der 230 Daubacher – neben Manfred (52) und Jutta (51) Espenschied auch Helga Faulhaber (76) sowie Karin (48) und Hans Werner Klotz (54) – jetzt dennoch gegen die „Einzäunung" mit Riesen-Windrädern wehren, dann aus guten Gründen, wie sie finden: „Hier geht es um unsere Heimat, unser Leben, unsere Wohnqualität", stellt Hans Werner Klotz (54) besonnen fest.

Dass die alternative Stromerzeugung bei Windrad-Projekten die erste Geige spielt, glaubt Klotz nicht: „Da geht es alleine um die Flocken aus dem Energieeinspeise-Gesetz." Und für den Profit einiger weniger sämtliche Nachteile reglos in Kauf nehmen? Das wollen die Daubacher nicht und argumentieren dagegen. Nicht militant, nicht parteigebunden und nicht laut tönend, aber entschlossen.

67 Meter höher als der Kölner Dom

Hintergrund: Nahe Daubach sollen zehn Windräder gebaut werden. Nabenhöhe: 163 Meter, die Flügel würden am Spitzenpunkt 223 Meter hinauf reichen – und damit den Kölner Dom um 67 Meter überragen. Die Rotoren wären weithin sicht- und hörbar – vor allem für die Daubacher, die die kreisenden Stromerzeuger vor der Nase hätten.

Das Szenario ist keine Zukunftsmusik, sondern realistisch, seit Juwi Wörrstadt einen 100 Meter hohen Mast aufstellte und seit 1. Juli und noch bis Juli 2014 dort die Windverhältnisse misst. Juwi ist optimistisch, das sagten die Unternehmensvertreter auf Nachfrage des „Oeffentlichen" noch am 18. Juli, dass die Windwerte – etwa 5,6 Meter pro Sekunde in 100 Metern Höhe – erreicht werden und die Räder ab August nächsten Jahres gebaut werden können. Investitionsvolumen: etwa 60 Millionen Euro.

Anfangs war sogar von 13 Rädern, allerdings mit einer geringeren Nabenhöhe von um 100 bis 120 Metern die Rede. Doch dafür reicht der Wind nicht aus. Und so packten die Betreiber kurzerhand rund 60 Meter Nabenhöhe drauf, weil es weiter oben auch mehr windet und die Rotoren somit rentabel laufen.

Klingt nach „beschlossen". Zumindest kalkulatorisch ist das Projekt in trockenen Tüchern. Dazu will nicht passen, dass Juwi die Zahl der Räder urplötzlich auf zehn reduziert hat. Nicht aus Rücksicht, sondern alleine wegen der im 233 Hektar großen Windrad-Plangebiet lebenden Rotmilane. Und die schützt das Gesetz, vor allem, wenn sie brüten. „Dort gibt es einige Rotmilane", bestätigte Rudolf Weichbrodt, Simmertaler Vogelexperte. Und so schaffte die Natur, was die Menschen mit Argumenten, Resolutionen und Dauerdiskussionen bislang nicht vermochten. Eine Reduzierung der Räder ist aber nicht das Ziel der Daubacher Gruppe: Sie will ihre Mitbürger sensibilisieren und die Rotoren verhindern helfen. Etwa mit einer Fotocollage (siehe oben), die den Daubachern nun erstmals zeigen soll, wie die Rotorlandschaft wenige Hundert Meter vom Dorf entfernt aussehen würde. Mittels Lageplan und exakten Abständen haben sie die Collage erstellt: „Wir wollen nicht übertreiben, sondern ein realistisches Bild zeigen." Sie hoffen auf Zuspruch auch der Nachbardörfer. Die Unterstützung der vor zwei Jahren gegründeten und heute 60 Mitglieder großen BI Gegenwind um Hartmut Ungelenk und Michael Post – einer von 25 BIs in Rheinland-Pfalz, der einige der Daubacher Gruppe angehören – ist ihnen sicher.

Entwertete Grundstücke

„In einer BI-Versammlung", sagt Karin Klotz, „sind mir die Auge aufgegangen: Zurzeit wird viel zu viel Strom auf diesem Wege produziert." Die Masse subventioniere ihn mit ihrem erhöhten Kilowattstunden-Entgelt und müsse dafür auch noch die Entwertung ihrer Grundstücke und Häuser hinnehmen. Kürzlich habe ein Nachbar an der Eckweilerer Straße in Daubach versucht, sein Haus zu verkaufen. Nachdem ein Interessent von den Windradplänen erfuhr, sei er rasch wieder abgesprungen.

Egal, ob der Windrad-Abstand zum Dorf bei den vom Gemeinderat abgelehnten 960 Meter liegt oder etwas weiter weg ist: „Diese Riesen-Rotoren dürfen nicht kommen."

Schon vieles sollte am ehemaligen Flugplatzrand fern von Bad Sobernheim realisiert werden

Dass sich die Daubacher gegen die geplanten Riesen-Rotoren vor ihrem Dorf erheben, hat auch andere Gründe: Über Jahrzehnte hinweg haben sie erlebt, was alles aus ihrem Lebensumfeld gemacht wurde und werden sollte. Nach den ohrenbetäubenden Phantoms aus JaboG35-Zeiten kamen alle möglichen Ideen auf: Pro-Welt-Park, Mülldeponie und sonstige Vorschläge von jenen, die sonst wo leben. Manches ist vergessen, manches blieb. Heute nervt die Daubacher in der Frühjahrs- und Sommerzeit ein Doppeldeckerflieger, der in Mainz-Finthen startet und überm Dorf seine Übungsrunden dreht. Oder die Auto-Teststrecke, von der bei guter Zeit Reifenquietsch-Geräusche herüberschallen. All das haben sie hingenommen. Sich gegen all das wehren? Keine Chance. Bei den Windrädern war es anfangs genauso. „Wir haben das gar nicht richtig realisiert", sagt Hans-Werner Klotz. Ab jetzt soll das anders sein. Stefan Munzlinger


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