Eine 43-jährige Frau sollte laut Anklage ihren 13-jährigen Sohn sexuell missbraucht haben. Allerdings erschienen die beiden Belastungszeugen dem Gericht um den Vorsitzenden Dr. Bruno Kremer unglaubwürdig. Diesen Eindruck teilten Staatsanwalt Klaus Thönnessen und Verteidiger Dr. Ullrich Laabs uneingeschränkt. Der Freispruch ist rechtskräftig.
Die Angeklagte, die mit zwei Söhnen in Hessen lebt, wohnte zur angeblichen Tatzeit 2012 in Bad Kreuznach. Hierher kam sie durch die Bekanntschaft mit dem jetzigen Belastungszeugen, den der Staatsanwalt und der Verteidiger in ihren Schlussplädoyers eine "bizarre Persönlichkeit" nannten. Die Frau und der Mann hatten sich einst in einem Frauenhaus kennengelernt. Sie war vor ihrem Mann geflüchtet, er vor seiner Familie, wie sie berichteten. Allerdings war "Er" damals noch eine "Sie". Er gehöre einer ethnischen Minderheit an und werde wegen seiner sexuellen Andersartigkeit angefeindet, sagte er.
Irgendwann muss die Freundschaft der beiden einen Knacks bekommen haben. Man wohnte zeitweise zusammen, dann blieb man gut bekannt, auch nachdem die Frau mit den beiden jetzt 14 und 16 Jahre alten Söhnen eine eigene Wohnung in Bad Kreuznach gefunden hatte. Zwei weitere Kinder, das älteste und das jüngste, sind behindert und leben im Heim, beziehungsweise einer Pflegefamilie.
Vor Gericht belasteten sich beide gegenseitig. Er warf ihr vor, sie bei einem überraschenden Besuch anlässlich ihres Geburtstags beim sexuellen Missbrauch des jüngeren Sohnes durch Oralverkehr erwischt zu haben. Dies sagte der Mann ebenso aus wie ein weiterer Zeuge, der ihm zugetan ist und bei bürokratischen Dingen hilft.
Allerdings verstrickten sich die beiden Zeugen in ihren Aussagen einerseits in Widersprüche, andererseits klangen für das Gericht manche Behauptungen auffällig abgesprochen. Verwirrend waren dazu die Vorgeschichten aus dem hessischen Frauenhaus - auch hier mit Missbrauchsgerüchten. Gegenseitig behaupteten Angeklagte und Zeuge, dass sie bedroht würden. Die Frau glaube gar, vom Teufel besessen zu sein, so der Belastungszeuge. Er betonte so oft, die Wahrheit zu sagen, wobei er zugleich das Gericht verbal anging, dass er sich letztlich um jede Glaubwürdigkeit redete. Am Ende musste ihn Richter Kremer quasi des Saales verweisen, weil der 42-jährige Arbeitslose ankündigte, die Frau werde ihm "nicht davonkommen", weil in seinen Augen hier Unrecht geschehe.
Sein "erheblicher Belastungseifer" stieß Staatsanwalt und Verteidiger auf. Die kurze Vernehmung der beiden Söhne der Angeklagten erbrachte keinerlei belastende Anhaltspunkte. Auch ein Schreiben, in dem der angeblich missbrauchte Junge den Missbrauch geschildert haben soll und das im Besitz des Belastungszeugen ist, schien dem Gericht offensichtlich gefälscht zu sein. "Das passt doch alles nicht zusammen", sagte Dr. Bruno Kremer und bemerkte, dass selten ein Urteil in so großer Einmütigkeit des Gerichts gefällt worden sei.
Rainer Gräff