Bad Kreuznach - Alles reine Männersache bei der traditionellen Herrensitzung der Großen Karneval-Gesellschaft Bad Kreuznach im proppenvollen Kurhaussaal? Von wegen!
Das starke Geschlecht strotzte zwar vor Übermut, aber ganz ohne Weiber geht die Chose nicht, das mussten die närrisch gestimmten Herrlichkeiten uneingeschränkt akzeptieren.Doch sie taten es großzügig und wohlwollend im Angesicht entzückender junger Damen, die als Prinzessinnengarde bei einem schmissigen Marschtanz die Beine fliegen ließen oder im Tiger-Outfit zu später Stunde ihre Krallen zeigten.
Ein gut gelaunter Sitzungspräsident Günther Neuhaus widmete der charmanten Garde die erste Rakete und verriet: „Ich krieg' Gänsehaut, wenn ich euch sehe." Zum Auftakt der Saalfastnacht zog die „Große" am Freitagabend alle Register. Bis weit nach Mitternacht hauten nicht nur Mainzer Ranzengarde und GKGK-Prinzengarde auf die Pauke. Alle gaben ihr Bestes. Bemerkenswert: Nur selten wurde es schlüpfrig, zielten die Akteure unter die Gürtellinie, und wenn, dann trafen sie ins Schwarze.
Allen voran Jochen „Jochi" Merz vom Hargesheimer Fastnachtsclub. Der Ex-Präsident der „Dippeschisser" knöpfte sich mit seiner Puppenparade den Kreuznacher Stadtrat vor („Alles Flaschen") und empfahl dem Kämmerer Wolfgang Heinrich, künftig Fäustlinge zu tragen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Wie „Jochi", der kein Blatt vor den Mund nahm. Klar, seine Mittelfingerattacke hatte der arme Heinrich am Freitagabend gleich mehrfach auszubaden. Aber auch seinen Kollegen klingelten die Ohren. Carsten Pörksen etwa, dem „zahnlosen Nordseekrokodil", oder „Jochis" Freund Klopfer, „wie immer im Taschenformat." Kein Zufall, dass Merz just in diesem Moment ein Fläschchen „Kleiner Feigling" aus der Tasche zog, um es nach kräftigem Klopfen zu leeren.
Wahrlich: Der „Dippeschisser aus Harjesem" trumpfte mit seinen Pointen groß auf. Ob Oberbürgermeisterin „Heike Kaster-Meurer-Ofenfreund", Karl-Heinz Delaveaux als „Stadtrat schlechthin", Udo Bausch als „Politprofi mit Profigehalt", Peter Anheuser, „de Ochs", der fahnenflüchtige Herbert Drumm, die „Minschderer, denen Uli Hoffmann und Josef Traut mim Krönche uff die Sprüng' helfe könnte, unn die Pleenicher, die vor lauter Geiz sogar ihr Fraa mit no Thailand nemme" – sie alle bekamen ihr Fett weg.
Ganz anders, auf seine Art aber urkomisch und einzigartig, unterhielt „de Begge Peter" alias Peter Beck das närrische Auditorium. Der Bühnenprofi im Hausmeisterlook kokettierte mit der zweiköpfigen Hauskapelle Too Nice („Un ihr seid das Orchester?"), mit der Regie, („Brennt's, oder wo kommt denn der Rauch her?") und dem Publikum, dem er verriet, was er von „Scheiß Witzen" hält. „Ich kann aach politisch", verkündete er dann in Anspielung auf Bernhard Knab, der kurz darauf als Deutscher Michel auf die Bühne stieg. Der dritte Kracher in Folge - politisch, kritisch, energisch -, der die Herren im Saal in Atem hielt.
Logisch, dass dieses Tempo nach der Pause nicht zu halten war. Rund um Mitternacht schafften es am ehesten noch die Tenöre Luciano Sarottie, Josef Carrera und Placingo Domingo mit ihrer Sopranistin Marianne Callas und dem autobiografischen Dreiklang über das Altwerden des Mannes, die Stimmung zu toppen. Als das Wespenquartett auch noch den Gassenhauer "Hey Kreiznach" anstimmte, wackelte die „guud Stubb". Der Große Rat der GKGK mit seinem neuen Präsidenten Eilhard Dockendorf an der Spitze durfte sich zufrieden zurücklehnen. Fazit: Der Auftakt hat Maßstäbe gesetzt, aber auch gezeigt, wo's klemmt, getreu des eigenen Mottos: „Welch Chaos in der Welt auch sei, der Narr versteht's, drum ist er frei."
Vorhang auf, Bühne frei, welch Chaos in der Welt auch sei
Bei der Herrensitzung der GKGK standen sie im Rampenlicht:
Protokoller Dr. Karl Kuhl: „Eens däd mich noch interessiere, wemmer de Kohleweech nit hinekrien, wie solle mer dann Minschder saniere?"
Garde der Prinzessinnen mit Marsch- und Showtanz. Kommandeuse Alana Degen, Betreuung Irene Heinz-Kissinger;
Konfettis aus Ingelheim, Manager Albert Schweikhard;
Jochen Merz aus Hargesheim mit dem Kreuznacher Puppentheater;
Peter Beck als Begge Peter, der Hausmeister, der mit umwerfender Mimik und Komik agiert;
Bernhard Knab als Deutscher Michel, wortgewaltig und eloquent;
Die Prinzengarde der GKGK, Leitung Mark Sassenroth, und die Mainzer Ranzengarde, Leitung Andreas Bierkandt und Burkhard Bordiehn;
Das Tanzpaar der GKGK Alana Degen und Vivianne Kalus;
Jürgen Mai als Michel Mort. Er kam direkt vom Markt der Eier und blies den Politikern gehörig den Marsch;
Karl Kuhl prahlte als Philosoph Diogenes selbstverliebt: „Ihr Männer, mo ganz ohne Strunz, gibt's was scheeneres als uns?"
Die drei Tenöre Luciano Sarottie, Josef Carrera und Placingo Domingo sowie der Rabe von Bad Kreuznach, Mariane Callas alias Christina Modes, Thomas Modes, Christian Hasselwander und Jens Wiechmann (alle Fidele Wespe);
Rudi und Achim Hube vom Gonsenheimer KV in der Fahrschule Schleich: „Die Stadt iss klamm, also fahre mer stramm!"
Gustl Stumpf