Bad Sobernheim - Schmankerl, laute Lacher und Schulterklopfer, Kontrahenten in Dirndl und Lederhose: Das Königlich-bayrische Amtsgericht entlockt uns ein Schmunzeln. Der Alltag des Amtsgerichts Sobernheim sieht anders aus. Straf-, Zivil- und Familienthemen, Grundbuch- und Erbschaftsangelegenheiten, Betreuungs-, Beratungs- und Bewährungsfälle wollen bearbeitet sein. Denn es geht um verbrieftes Recht und in vielen Verfahren auch um gutes Geld.
Nicht uninteressant, aber doch eher trocken scheint dem Laien die juristische Materie, mit der es Amtsgerichtsdirektorin Friederike Trageser und ihre Kollegen täglich zu tun haben. Dabei wissen wir: Nirgends treffen Ordnung und pralles Leben so ungebremst aufeinander wie in einem Amtsgericht. Legendäre Prozesse wie einst gegen (später als „schuldlos" beurteilte) Putzfrauen des Jagdbombergeschwaders 35 oder gegen jenen Jäger, der im Kirner Land eine Kuh erlegt hatte, sind die Ausnahmen. Das, was Tag für Tag verhandelt wird, ist menschlich und lebensnah, bedeutet aber vielfach eine komplexe Problembewältigung auf juristischem Wege.
Seit 2006 leitet Friederike Trageser (56) das Amtsgericht Bad Sobernheim, das neben Stadt und Verbandsgemeinde den Raum Meisenheim und Kirn mit Kirn-Land bearbeitet. Die Mutter zweier Kinder (29 und 26 Jahre) hat in Mainz und Trier Jura studiert und wohnt mit ihrer Familie in Kirn. Der Zug zur Rechtsprechung wurde ihr in die Wiege gelegt: Schon ihr Vater Ernst Rheinländer leitete ein Amtsgericht, das in Birkenfeld.
24 Mitarbeiter zählt das Sobernheimer Gericht mit Hauptgebäude und Komturei: vier Richter und vier Rechtspfleger, fünf Geschäftsstellenbeamte, zwei Wachtmeister, zwei Gerichtsvollzieher, sechs angestellte Justizbeschäftigte und eine Putzfrau. Es waren schon mal mehr. Wie andernorts stehen auch im Justizwesen die Zeichen auf Personalreduktion.
Bei allem Bemühen, Verfahren so gründlich wie rasch zu beenden: Rechtsprechung braucht Zeit, soll sie Bestand haben. Jeder einzelne Fall ist ein Unikat, muss von allen Seiten betrachtet werden.
Ihre entzerrende, ja kostbare Gerichtszeit sparende Wirkung entfalten ehrenamtliche Schiedsmänner in der Region: Michael Engisch (VG Bad Sobernheim), Friedhelm Anthes (VG Meisenheim), Jürgen Simon (Stadt Kirn) und Gerhard Härter (Kirn-Land).
Sie helfen, Konflikte, die sich auch ohne Kadi lösen lassen, auf der außergerichtlichen Ebene zu belassen. Manchmal gelingt's, manchmal wollen die Streitparteien ihre Sache lieber vor Gericht austragen. Auch das ist ein verbrieftes Recht, nämlich, seine Rechtsmittel wählen zu dürfen. Ob es dann wirklich zu einer Verhandlung kommt, steht auf einem anderen Blatt. Möglich, dass sich die Streithähne in einem Vergleich einigen, denn ein anfangs mit viel Eifer angestrebter Prozess kann sich rasch zum endlos-teuren Egotrip entwickeln. Das merkt mancher jedoch erst, wenn er den Gerichtsweg eingeschlagen hat.
Vier Verhandlungstage sind pro Woche im Amtsgericht mit seinen beiden Sälen angesetzt; 900 Fälle werden im Jahr verhandelt, darunter 400 Familiensachen (oft mit Mediation, die einen gemeinsamen Vergleich erarbeiten soll), 500 Zivil- und 200 Strafsachen. Nun gilt der Westen des Kreises Bad Kreuznach als „Wild West", Tendenz stark steigend. Stimmt das? „Nein", sagt Amtsrichterin Friederike Trageser, „zumindest die Zahl der Strafverfahren ist im Vergleich zu den Vorjahren konstant."
Neben den vier Richtern sind in Sobernheim auch vier Rechtspfleger tätig, also eigenverantwortliche Fachjuristen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Bei Grundbuch- und Nachlassverfahren (Tendenz steigend) sind sie als Entscheider gefragt, aber auch bei Beratung, Vollstreckung und Betreuung.
Ihr Pensum 2012 beziffert Amtsgerichtsgeschäftsleiter und Regierungsrat Rainer Müller: 1624 Eigentumsänderungen, 2200 Grundbucheinträge, 340 Testamentsänderungen und 443 Erbschein-Ausschlagungen (wer Schulden erbt, kann sie innerhalb von sechs Wochen ,ausschlagen'), 532 Beratungen, 1092 Betreuungsthemen und 1669 Vollstreckungen. Guter Tipp für alle jungen Leute: Rechtspfleger sind gesucht. Auch heute noch.
Justizministerium: Die 46 Amtsgerichte im Land sind sicher
Immer wieder tauchen Gerüchte auf, kleine Gerichte würden aufgelöst und ihre Arbeit anderen Standorten zugeschlagen. So gibt es in Mayen ein zentrales Mahngericht für ganz Rheinland-Pfalz, das zentrale Vollstreckungsgericht sitzt in Kaiserslautern. Hat das Sobernheimer Amtsgericht, das Zwangsversteigerungen und Insolvenzverfahren bereits an Kreuznach abgegeben hat und seit 20 Jahren von Auflösungsspekulationen begleitet wird, Bestand? Bei allem Spardruck auch im Justizwesen: Von einer bevorstehenden Auflösung sei ihr nichts bekannt, sagt Amtsgerichtsdirektorin Friederike Trageser: „Bis zum Ende der Landtagslegislatur 2016 sind wir sicher." Ihre Erfahrung: Kleine und bürgernahe Einheiten wie das Bad Sobernheimer Amtsgericht funktionierten besser, vielleicht sogar günstiger als die großen Einheiten. Auf alle Fälle: „Unsere Erledigungszeit kann sich sehen lassen."
Derzeit gibt es 46 Amtsgerichte in Rheinland-Pfalz. Auflösungen scheinen kein Thema. „Für uns gehört eine gute Erreichbarkeit von Justiz zur Garantie des Rechtstaats", schreibt Wahid Samimy, Pressesprecher des Justizministeriums, auf Anfrage unserer Zeitung: „Gerade deshalb wollen wir Amtsgerichte in der Fläche erhalten." Stefan Munzlinger